Süddeutsche Zeitung

FC Augsburg:Schöne Baustelle

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Stephan Lichtsteiner sollte Stabilität verleihen. Doch der FCA-Fußball scheint immer weniger zu ihm zu passen

Von Sebastian Fischer

Martin Schmidt hat neulich einen Fußballer gesucht, der Verantwortung übernehmen sollte. "Einen Fuß rein bekommen", so nennt der Trainer des FC Augsburg die Aufgabe, einen sich anbahnenden Kontrollverlust auf dem Fußballplatz zu verhindern, eine noch höhere Niederlage zum Beispiel. Es stand 0:3 in Frankfurt aus Augsburger Sicht am vergangenen Freitag, als Schmidt in der 74. Minute Stephan Lichtsteiner als Rechtsverteidiger für Tin Jedvaj einwechselte. Augsburg verlor mit 0:5.

Als Stephan Lichtsteiner, 36, im Spätsommer 2019 kurz vor Ende der Transferperiode zum FC Augsburg wechselte, war das eine recht eindrucksvolle Personalie für den Klub. Immerhin gab sich ein siebenmaliger italienischer Meister mit der Herausforderung zufrieden, für die Dauer seine Vertragslaufzeit von einem Jahr gegen den Abstieg zu kämpfen. Doch nun, im Frühjahr 2020, steht der Kapitän der Schweizer Nationalmannschaft eher für die wiederkehrenden Abwehrprobleme des Teams mit den viertmeisten Gegentoren der Bundesliga. Nach der bereits vierten Niederlage mit fünf Gegentreffern hat die Mannschaft, die im Winter eigentlich gefestigt und solide wirkte, am Samstag gegen den SC Freiburg wieder ein "richtungsweisendes" Spiel vor sich, wie Schmidt am Donnerstag sagte. Nur bei einem Sieg weist die Richtung deutlich weg von unten.

Lichtsteiner wurde im Sommer geholt, um kurzfristig die Lücke zu schließen, die der Weggang von Rechtsverteidiger Jonathan Schmid nach Freiburg gerissen hatte, und um der Mannschaft mit seiner Erfahrung und Führungsstärke zu helfen. "Eine andere Mentalität" in den wichtigen Phasen forderte Schmidt nun, nach dem 0:5 in Frankfurt, von seinem Team. Lichtsteiner ist derzeit allerdings eher nicht der Spieler, der die Kollegen mit der Mentalität ansteckt, die ihn jahrelang bei Juventus Turin auszeichnete. Zuletzt stand er am ersten Rückrundenspieltag in der Startelf, beim 3:5 gegen Borussia Dortmund.

Es ist kein großes Geheimnis, dass es dem 36-Jährigen inzwischen an Tempo fehlt, um die Rolle des in Augsburgs System häufig vorgesehenen, sehr hoch stehenden Außenverteidigers optimal auszufüllen. Raphael Framberger, 24, ist schneller, aber technisch nicht so stark und häufig verletzt. So spielte zuletzt dreimal der aus Leverkusen geliehene, sich eigentlich als Innenverteidiger verstehende Jedvaj rechts. "Wenn das eine Baustelle ist, haben wir eine sehr schöne Baustelle. Wir haben den Kapitän der Schweiz, den Rechtsverteidiger Kroatiens und ein eigenes Talent", sagt Schmidt. Und doch verrät diese Baustelle etwas darüber, warum der FCA immer wieder unerwartet fragil wirkt.

Die Serie mit fünf Siegen von Anfang November bis Ende Dezember zeichnete ein hervorragend funktionierendes Konterspiel aus, dazu die überragende Form von Linksverteidiger Philipp Max und Stürmer Florian Niederlechner, Augsburgs erfolgreichstem Torschützen und vorderstem Verteidiger im Pressing. Doch genau dieses hohe, aggressive Verteidigen, die Basis für den Augsburger Umschaltfußball, birgt auch das Risiko, dass sich Gegner Läufe in die Tiefe als Gegenzug aussuchen - der häufig funktioniert, sobald im Augsburger Pressing mal was schiefgeht. Jüngstes Beispiel war das 0:3 in Frankfurt: Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw rückte weit ins Mittelfeld vor, gewann aber den Ball nicht und beschwerte sich über mangelnde Unterstützung seiner Kollegen, während der Gegenangriff schon lief, hinein in die Lücke, die er gerissen hatte.

Lichtsteiner ist eher nicht der Typ für diese Art von Verteidigen, er muss tiefer stehen, damit seine Stärken zur Geltung kommen. Doch tief stehen wird unter Schmidt wohl eher selten Augsburgs Ansatz sein. Und so bleibt die Besetzung der Verteidigung umstritten. Auch Jedvaj überzeugte in Frankfurt ja nicht unbedingt.

Für die kommende Saison wird sich die Abwehr wieder verändern. In der Innenverteidigung ist es denkbar, dass der zum FC Southampton verliehene Kevin Danso dort bleibt, obwohl er in England bislang über die Rolle des Ergänzungsspielers nicht hinauskommt. Felix Uduokhai, aus Wolfsburg ausgeliehen, könnte der FCA fest verpflichten. Und die Suche nach einem neuen Rechtsverteidiger läuft bereits. Stephan Lichtsteiner würde gerne bei der EM für die Schweiz spielen. Dass seine Zeit in Augsburg davor endet, ist seit seiner Ankunft so geplant.

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SZ vom 14.02.2020
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