Süddeutsche Zeitung

Finale der Europa League:Der Trainer, der den Druck liebt

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Der FC Villarreal strebt gegen Manchester United den ersten Titel der Vereinsgeschichte an - mit Coach Unai Emery, der den Wettbewerb dreimal gewonnen hat und der rund um die 60. Minute seine besten Entscheidungen trifft.

Von Javier Cáceres, Danzig, Berlin

Es wird am Mittwochabend beim Europa-League-Finale zu Danzig (Anpfiff21 Uhr) Momente des Zweifels geben, und die Spieler des FC Villarreal werden wissen, wohin sie schauen müssen: hinaus an die Seitenlinie, wo Trainer Unai Emery stehen wird, ein Mann mit der Erfahrung aus vier Europa-League-Endspielen. Ja, Finalgegner Manchester United hat acht internationale Trophäen gewonnen, darunter sogar die Europa League 2017, oder auch die Champions League 1999, mit dem heutigen Trainer Ole Gunnar Solksjaer als Schütze eines Siegtors, das den Fans des damaligen Finalgegners FC Bayern so unheilvolle, quälende Erinnerungen bereitet.

Aber Emery hat die Europa League schon drei Mal gewonnen, von 2014 bis 2016 als Coach des FC Sevilla. "Der Míster ist in diesem Wettbewerb ein Siegertyp!", sagt Abwehrspieler Raúl Albiol, 35, zwischen 2008 und 2012 Welt- und zweimal Europameister mit Spaniens Nationalelf. "Das hilft natürlich", sagt Albiol. "Und wie das hilft!"

Dass die Europa League zum bevorzugtem Fischgrund Emerys geworden ist, hat keine logische Erklärung. Aber wer wollte verneinen, dass die beiden zueinander passen, die Europa League und der Sohn Fuenterrabías, einem kleinen Ort am Kantabrischen Meer?

Emery ist zwar längst dem No-Name-Trainer-Image entfleucht, das ihm anhaftete, als er 2007 mit der U.D. Almería den Sprung in die erste spanische Liga schaffte, und das er erst ablegte, als er beim FC Valencia Erfolge feierte. Doch erst nach seinem kurzen und gescheiterten Ausflug zu Spartak Moskau landete er beim FC Sevilla, änderte sich sein Blick auf die Europa League, die sie anderswo Cup der Verlierer nennen. "Als ich in Sevilla ankam, sagten sie mir: ,Unai, in der Champions League zu spielen, ist ja schön und gut. Aber Du weißt nicht, was es heißt, etwas zu gewinnen...'", verriet Emery vor Jahren dem Guardian. Den drei Erfolgen folgte ein Ruf zu Paris St.-Germain, später zum FC Arsenal - wo er für sein dürftiges Englisch nach den Regeln der Kunst des schwarzen Humors durch den Kakao gezogen wurde, und am Ende zum ersten und bislang einzigen Mal von seiner Routine abwich.

Denn normalerweise schaut er sich alle Partien seiner Mannschaft noch einmal in voller Länge an. Als gelte es, ein Protokoll abzuhaken. Doch auf die Aufarbeitung des Europa-League-Finales von 2019, das er mit Arsenal gegen den FC Chelsea verlor, verzichtete er. Chelsea sei in der zweiten Halbzeit um Längen besser gewesen - Ende der Diskussion.

Ermy formte Mittelstürmer Gerard Moreno zum vielleicht besten spanischen Spieler

Bemerkenswert an jenem Finale war, dass Emery nicht dagegen steuern konnte. Emery wird in der Branche vor allem dafür geschätzt, unter Druck sein Gedächtnis nach Analogien aus vorangegangenen Spielen zu scannen - und die richtigen Reaktionen zu zeigen. "Wettbewerbsstark zu sein bedeutet in erster Linie, dich den Gegebenheiten anzupassen", so lautet sein Credo.

Die Gegebenheiten, die Emery vor einem Jahr im 50 000-Einwohner-Städtchen Villarreal vorfand, luden nicht unbedingt dazu ein, an den ersten Titel der Vereinsgeschichte zu glauben. Der Klub hatte den Abstiegskampf des Vorjahres noch nicht ausgeschwitzt, als er sich 2020 für die Europa League qualifizierte - und überraschend Trainer Javier Calleja ersetzte. Emery fand technisch begabte Spieler wie Dani Parejo vor, Bacca und Iborra - und formte Mittelstürmer Gerard Moreno (23 Liga-Tore) zum vielleicht besten spanischen Spieler der gerade beendeten Meisterschaft. Dem früheren Dortmunder Paco Alcacer, der mit Verletzungen zu kämpfen hatte, hat Moreno vollends den Rang abgelaufen. Aber wer weiß? Vielleicht schlägt seine Stunde im Finale, das er zunächst auf der Bank erleben dürfte.

Ein früherer Mitarbeiter Emerys berichtet, es sei frappierend, wie der Coach in entscheidenden Spielen rund um die 60. Minute zu Hochform auflaufe und die richtigen Coaching-Entscheidungen treffe: "Es ist magisch!" Und der Grund dafür, dass die Spieler des FC Villarreal beruhigt hinausschauen werden, wenn ihnen Zweifel kommen sollten.

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