Süddeutsche Zeitung

Europa League:Der Glückskredit ist überzogen

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Als einziger von sieben Bundesliga-Startern scheidet ausgerechnet Tabellenführer Borussia Mönchengladbach im Europapokal aus. Die ebenfalls patzende Frankfurter Eintracht erhält Schützenhilfe vom FC Arsenal.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Glück gilt nicht gerade als knappes Gut, aber allzu verschwenderisch sollte man damit nicht umgehen. Die Fußballer von Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt haben in dieser Woche im Europapokal demonstriert, wie man vorrätiges Glück im richtigen Moment abruft. Als die Dortmunder zum Weiterkommen in der Champions League im Parallelspiel ihrer Gruppe die Schützenhilfe des FC Barcelona (2:1 bei Inter Mailand) benötigten, bekamen sie diese. Und als nun auch die Frankfurter in der Europa League wegen eigener Versäumnisse nur noch mit Schützenhilfe des FC Arsenal die K.-o.-Runde erreichen konnten, wurde auch ihnen diese Unterstützung gewährt.

Die Fußballer von Borussia Mönchengladbach hingegen hatten schon den ganzen Herbst über ihr Glückskonto reichlich strapaziert. Dies hatte im letzten, entscheidenden Europa-League-Spiel offenbar unangenehme Konsequenzen. Das Schicksal eines späten Gegentores zum 1:2 gegen Basaksehir Istanbul besiegelte das überraschende Ausscheiden. Damit ist just der aktuelle Tabellenführer Gladbach der einzige von sieben in Europa gestarteten Bundesligisten, der im internationalen Spielbetrieb nicht überwintert.

Beim Hinspiel in Istanbul hatte noch die Borussia in der Nachspielzeit schmeichelhaft das 1:1 erzielt, auch bei AS Rom nutzte Gladbach erst in der Nachspielzeit einen ungerechtfertigten Handelfmeter zum Remis. Zu Hause gegen die Italiener folgte die dritte lohnende Nachspielzeit - mit einem Eigentor zum 2:1-Sieg.

Als die Gladbacher nun am Donnerstagabend gegen Basaksehir in der 91. Minute ein ärgerliches Gegentor kassierten und eine Minute später mit einem Kopfball von Marcus Thuram selbst bloß den Innenpfosten trafen, und als in diesem Moment auch die allerletzte Hoffnung erlosch, weil der Wolfsberger AC bei der Roma trotz wackerer Leistung nicht gewann (2:2) - da sagte der österreichische Borussia-Abwehrspieler Stefan Lainer trocken: "Ich glaube, unser Glück war aufgebraucht."

Mit je drei Mannschaften ist der deutsche Fußball damit jetzt noch in der K.-o.-Phase beider Europa-Wettbewerbe vertreten. Die Namen von RB Leipzig, Borussia Dortmund und Bayern München stehen an diesem Montag (12 Uhr) auf den Losen für das Achtelfinale der Champions League. Bayer Leverkusen ist als Gruppendritter aus der Bestenliga ausgeschieden und gesellt sich zum VfL Wolfsburg und zu Eintracht Frankfurt ins Sechzehntelfinale der Europa League. Auch dieses wird am Montagmittag in Nyon ausgelost.

Gladbachs Trainer Marco Rose sollte für diesen Montag, 13 Uhr, also vielleicht eine intensive Trainingseinheit ansetzen, damit keiner seiner Spieler vor dem Bildschirm wehmütig wird. Der Tabellenführer der Bundesliga hätte nach sieben Heimsiegen in Serie gegen den Vierten der türkischen Süperlig bloß noch ein Unentschieden benötigt und befand sich nach dem 1:0 (33.) durch Thuram in einer prächtigen Ausgangssituation. Doch die konternden Türken ärgerten die unpräzisen Rheinländer genau zwei Mal: mit dem Ausgleich kurz vor der Pause - und dem lucky punch kurz vor Abpfiff im Anschluss an eine Freistoßflanke. "Darauf hatten sie es doch nur angelegt", blaffte Rose fast ein bisschen beleidigt. Enttäuscht war der Trainer aber vor allem vom fahrigen Spiel seiner Mannschaft, die viele Fehlpässe fabriziert und etliche Chancen liegengelassen hatten.

Rose coachte gegen Istanbul zum 30. Mal ein Europa-League-Spiel. Sogar zehn Einsätze mehr hatte am selben Abend Frankfurts Trainer Adi Hütter, aber selbst derart viel Erfahrung schützt offenkundig nicht vor Ungemach. Auch die Frankfurter verloren ihr finales Gruppenspiel daheim: 2:3 hieß es gegen den bereits ausgeschiedenen Portugal-Fünften Vitoria Guimaraes, der das Spiel mit zwei Toren in den Schlussminuten drehte. Als die Frankfurter beim Abpfiff mit den Nerven am Ende waren, erfuhren sie jedoch unverhofft, dass der FC Arsenal bei Standard Lüttich - ebenfalls durch zwei Treffer in der Schlussphase - aus einem 0:2 ein 2:2 gemacht hatte. Bei einem Sieg gegen die Londoner wäre Lüttich weitergekommen, so durfte die Eintracht vorrücken. "Wir haben uns nicht mit Ruhm bekleckert", gab Hütter zu.

Genauso wie Leipzig, Dortmund und die Bayern überwintert Frankfurt damit noch in Bundesliga, Europa- und DFB-Pokal, während Gladbach ab jetzt nur noch in der Liga antreten darf. Für Trainer Rose ist das auch deshalb enttäuschend, weil er nicht mehr ausgiebig rotieren kann: "Ich hätte gerne mehr Anlässe gehabt, um weiterhin jeden zum Spielen zu kriegen", gestand er. Zudem ist nun ein Top-Platz in der Bundesliga die letzte verbliebene Chance auf eine neuerliche Qualifikation für den Europapokal. So eng, wie es derzeit im oberen Tabellendrittel der Liga zugeht, ist das keine ungefährliche Perspektive.

Drei Bundesliga-Spiele hat Mönchengladbach noch bis Weihnachten. Natürlich will man dabei die Spitze verteidigen und zum Trost am besten als Herbstmeister in die Winterpause gehen. Das Gastspiel bei Europa-League-Teilnehmer Wolfsburg an diesem Sonntag wird nun ebenso zur Herausforderung wie das Heimspiel gegen die stets gefährlichen Paderborner am nächsten Mittwoch. Bei Hertha BSC in Berlin beschließt die Borussia danach ein aufwühlendes Jahr, in dem sich der Klub im Sommer von jenem Trainer - Dieter Hecking - getrennt hatte, dessen Mannschaften so oft schon die Rückrunde verpatzt haben.

Auch hier muss Rose nun eine Verbesserung nachweisen - und seine Mannschaft konstant auf hohem Niveau halten.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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