Süddeutsche Zeitung

Eugenie Bouchard bei den US Open:Ein Stern verglüht

Lesezeit: 3 min

Von Jürgen Schmieder, New York

Wie ein Tennis-Trainer sieht dieser Mann nun wahrlich nicht aus, der da in Jeans, Poloshirt und Pullunder neben dem Übungsfeld drei auf der Anlage in Flushing Meadows schleicht. Die Trainer von US-Open-Teilnehmern sehen gemeinhin aus wie eine noch gebräuntere Version des Tennislehrers in deutschen Vereinen - oder wie ein Held dieser Sportart: Boris Becker, Stefan Edberg, Goran Ivanisevic, Michael Chang. Einen klangvollen Namen hat dieser Mann auch, der durch eine Brille mit 80er-Jahre-Leopardengestell die Grundschläge der Kanadierin Eugenie Bouchard beobachtet. "Ich bin kein Trainer", sagt er: "Ich bin nur ein paar Tage lang hier, um einer Freundin zu helfen." Er, das ist Jimmy Connors.

Es ist nicht zu leugnen, dass Bouchard, 21, ganz dringend Hilfe benötigt. In den vergangenen zwei Jahren glich ihr Karriereverlauf einer Sinuskurve: Nach einigen Erfolgen bei kleineren Turnieren erreichte sie im vergangenen Jahr bei den ersten beiden Grand-Slam-Turnieren jeweils das Halbfinale und in Wimbledon gar das Endspiel. Die aggressive und temporeiche Spielweise war atemraubend, Bouchard wurde in der Weltrangliste bisweilen auf dem fünften Platz geführt und von Unternehmen umgarnt, die sich nur mit den Allerbesten einer Disziplin schmücken wollen. Da war er: der neue Star im Frauentennis.

Der Stern verglühte dann recht schnell. Im Wortsinn. Bei den US Open erlitt Bouchard im vergangenen Spätsommer einen Hitzschlag, sie taumelte während des Achtelfinales benommen über den Platz und sagte die Turniere danach wegen Erschöpfung ab. Sie war ausgebrannt, womöglich auch wegen der vielen Sponsorentermine.

2015 begann Bouchard ordentlich, bei den Australian Open erreichte sie das Viertelfinale. Danach jedoch folgten mehr Niederlagen als Siege, ihre Einzelbilanz in diesem Jahr lautet 9:17, seit den French Open gar 2:8. Vor einer Woche verlor sie beim Turnier in New Haven in der ersten Runde gegen die Qualifikantin Roberta Vinci 1:6, 0:6. Das ist der bislang unterste Punkt der Sinuskurve. Bouchards riskantes Spiel, das bei Erfolg so wunderbar anzusehen ist, wirkt während einer Krise nur schrecklich.

Nun soll Jimmy Connors helfen, der am Dienstag seinen 63. Geburtstag feiern wird. "Ich habe mir ein paar Tage lang diese jungen Menschen angesehen. Sie können alle großartig Tennis spielen und treffen den Ball ganz wunderbar", sagt Connors nach einer Trainingseinheit: "Ich glaube jedoch, dass viele Menschen die weniger greifbaren Dinge im Tennis nicht genug zu schätzen wissen: Was es bedeutet, Herz und Mumm zu haben oder auch Killerinstinkt." Genau deshalb sei er in New York bei Eugenie Bouchard, er will ihr diese weniger greifbaren Dinge vermitteln.

Connors kennt sich aus mit Herz und Mumm und Killerinstinkt, er hat Tennis nicht gespielt, er hat Tennis gerungen. Er hat seine Gegner niedergekämpft und dabei auch fragwürdige Psychotricks verwendet. Seine Mutter Gloria, die lange auch seine Trainerin war, habe ihm vor jeder Partie zugeflüstert, dass er seine "Tigersäfte aktivieren" solle. So schreibt es Connors in seiner Autobiografie "The Outsider" und erklärt, dass ihn nicht selten Hass und Wut angetrieben hätten: "Manchmal war ich einfach stinksauer, weil es morgens war. Vielleicht haben die anderen Spieler mich deshalb nicht gemocht, aber ich habe diese Wut gebraucht, um erfolgreich zu sein."

Connors soll weniger an Bouchards Technik und Beinarbeit feilen ("Sie hat alles, was man braucht, um ganz oben mitzuspielen") als vielmehr an der Psyche der Kanadierin: "Jeder macht mal eine schwere Zeit durch, dagegen ist niemand immun - man muss nur einen Weg da raus finden." Er schätze Bouchards Eifer und habe deshalb eingewilligt, sie auf die US Open vorzubereiten: "Man muss diese Kleinigkeit finden, damit es wieder funktioniert. Das gilt nicht nur für Eugenie, sondern für jede Weltklasse-Spielerin."

Mit Scharapowa hat er es auch mal versucht - eine Partie lang

Connors unterbricht eine Trainings- partie nicht, wenn Bouchard zum dritten Mal nacheinander eine Rückhand ins Netz donnert oder noch einen Return auf den Nachbarplatz prügelt. Er bejubelt auch keine gelungenen Schläge. Er sieht einfach nur zu. In den Pausen gestikuliert er nicht wie andere Trainer, die Grundschläge nachahmen oder die korrekte Fußstellung zeigen. Er spricht kurz, dann schlendert er zurück an seinen Platz an der Wand und sieht wieder zu. Na ja, er will ja auch kein Trainer sein. Das war er mal für Andy Roddick, zehn Jahre ist das fast her, und immerhin trieb er seinen spielerisch limitierten Landsmann ins Endspiel der US Open 2006. Aber wenn er kein Trainer ist, was dann? "Ich habe keine Ahnung", sagt Bouchard: "Er ist auf jeden Fall bei mir auf dem Trainingsplatz."

Es gebe keine Pläne für eine länger- fristige Zusammenarbeit, das stellten Connors und Bouchard bereits klar. Connors wird noch nicht einmal beim ersten Spiel von Bouchard am Montag gegen die Amerikanerin Alison Riske dabei sein. Er ist am Sonntag abgereist und wird frühestens zum Achtelfinale am Wochenende zurückkehren. "Das erreicht sie besser mal", sagt Connors: "Aber wenn sie so spielt wie im Training, dann mache ich mir keine Sorgen." Sollte Bouchard jedoch gegen Riske verlieren, dann dürfte die Zusammenarbeit als kürzeste der Tennisgeschichte gelten. Bisheriger Rekordhalter: Jimmy Connors. Der war vor zwei Jahren der Trainer von Maria Scharapowa - eine Partie lang.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2015
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