Süddeutsche Zeitung

Erik Durm in der Premier League:Ein Weltmeister für Huddersfield

Lesezeit: 3 min

Von Leon Wohlleben

Erik Durm war einmal Weltmeister, und da meint man, solche Spieler hätten hohe Ansprüche. Aber schon ein simpler Pressschlag bereitete Erik Durm in diesem Sommer große Freude. "Das war ein gutes Tackling zum Reinkommen, weil man merkt, dass der Fuß ganz normal mitmacht", sagt Durm nach dem 3:0 im Testspiel gegen RB Leipzig, seiner Premiere im Huddersfield-Trikot. 14 Minuten durfte Durm das tun, was er so selten tun konnte in den vergangenen Jahren: auf dem Platz stehen. Fußball spielen. Zweikämpfe bestreiten.

Nach sechs Jahren bei Borussia Dortmund hat Durm in diesem Sommer den Schritt nach England gemacht: zu Huddersfield Town. Der Klub ist in England ohnehin schon für seinen "deutschen" Anstrich bekannt, Christopher Schindler spielt hier, auch Chris Löwe, trainiert wird die Mannschaft von David Wagner. Jetzt steht sogar ein deutscher Weltmeister im Kader. Nach vielen Jahren, die durch Verletzungen bestimmt waren, will Durm einen Neuanfang wagen. Wieder einmal.

Die Verletzungszeit begann ein Jahr nach dem WM-Titel 2014, als Durm zwar im Kader stand, in Brasilien letztlich aber kein Spiel bestritt. Erst entzündete sich das linke, dann das rechte Knie. Operationen folgten. Über zwei Jahre hinweg verpasst er allein dadurch zusammengerechnet so viele Spieltage, dass diese für eine ganze Saison reichten.

Tiefpunkt: der gescheiterte Wechsel nach Stuttgart

Als er wieder für gesund erklärt wurde, entschied sich Durm im Sommer 2017 für einen Wechsel nach Stuttgart. Also verabschiedete er sich von seinen Mitspielern in Dortmund, fuhr nach Stuttgart, absolvierte den Medizincheck. "Dann kam mein Berater und musste mir erzählen, dass es nicht geklappt hat. Ich dachte erst, das sei ein Scherz", erzählt Durm. Die Stuttgarter Ärzte hatten eine Hüftproblematik festgestellt, die in ihren Augen wohl operiert werden müsste. Stuttgart nahm vom Wechsel wieder Abstand. Durm blieb nur der Frust. Und abermals eine OP.

Im Winter kam noch ein Riss im Außenband des Sprunggelenks dazu, Durm stand in der Saison 17/18 kein einziges Mal für den BVB auf dem Platz. "Ich habe halt das Pech gehabt, dass ich jetzt in drei Jahren durchgemacht habe, was mancher in zehn Jahren bekommt", sagt Durm: "Beim Fußball immer nur zuzuschauen, ist das schlimmste an der ganzen Verletzungsgeschichte."

Dass Durm gerade bei Huddersfield Town gelandet ist, hat viel mit David Wagner zu tun. Unter ihm verbrachte Durm in der zweiten Mannschaft das erste Jahr bei Dortmund und lernte damals noch als Sturmspitze, sich im Abstiegskampf der dritten Liga durchzusetzen. "David Wagner hat es geschafft, dass wir zu dieser Zeit immer ruhig geblieben sind und uns nie gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben", erinnert sich Durm. Von da an ging es für Durm schnell nach oben. Nach der Umschulung zum Außenverteidiger kamen die ersten Einsätze in der Bundesliga, Champions League und schließlich in der Nationalmannschaft.

Selbst wenn der Kontakt zwischen Wagner und Durm danach nicht sonderlich ausführlich war - man grüßte einander im Stadion und schickte sich gegenseitige Geburtagsgrüße - so verloren sich die beiden nie aus den Augen. Vor einigen Wochen erschien wieder mal eine Nachricht von David Wagner auf dem Handy: diesmal kein Glückwunsch, sondern die konkrete Frage, ob er sich es vorstellen könnte, für Huddersfield zu spielen.

Der Spielstil in England, den Wagner ihm schilderte und den er aus dem Fernsehen kannte, gefällt Durm. In den physisch-orientierten Spielen, die von ihm viel Laufarbeit und überfallartige Schnelligkeit verlangen, sieht er sich richtig aufgehoben. Außerdem sind ihm viele Arbeitsschritte Wagners aus der Dortmunder Zeit bekannt. Durm sagte fix zu: "Er hat mir von Anfang an dieses Gefühl gegeben, dass man mich unbedingt nach Huddersfield lotsen will, trotz der langen Ausfallzeit."

Allerdings, Huddersfield ist sich auch des Verletzungsrisikos bei der Verpflichtung von Erik Durm bewusst, die vereinbarte Vertragsdauer liegt bei nur einem Jahr. In der Zeit muss er zeigen, wie fit er ist. In Dortmund hatte Durm schon bewiesen, dass er sich zurückkämpfen kann. Als Vorsichtsmaßnahme sind sich Trainer und Spieler darüber einig, dass ein Einsatz schon am Samstag zum Saisonstart gegen Chelsea noch zu früh käme. Die nächsten Wochen soll Durm nutzen, um den Fitnessrückstand aufzuholen.

Manchen Fans in Huddersfield ist Durm kein Unbekannter - sie wussten sofort, wen ihr Verein da verpflichtet hat. Unter der Verkündung auf Facebook ist an den obersten Kommentar ein Foto angehängt. Darauf zu sehen: Miroslav Klose und Erik Durm, in jubelnder Zweisamkeit. In ihren Händen der Weltmeisterpokal.

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