Süddeutsche Zeitung

Erfolg von Bale in Madrid:Ein Herz zur Entlastung

Lesezeit: 4 min

Gareth Bale trifft im ersten Einsatz für Real und beruhigt fürs Erste die Debatte um seine teure Verpflichtung. In Madrid rücken andere in den Blickpunkt: Ronaldo, der verlängert, und Torwart Casillas, der wohl weg will.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Auch den Besten passieren dumme Fehler, Flanken in den Himmel zum Beispiel, die für den Strafraum gedacht gewesen wären. Als Gareth Bale bei seinem Debüt mit Real Madrid im Stadion El Madrigal zu Villarreal seinen ersten Ball so richtig verhauen hatte, da hob ein ironischer Chor aus einer Fankurve der Heimmannschaft an, den er wohl in spanischen Stadien in Zukunft noch oft zu hören bekommen wird: "Tú sí que vales!", intonierten sie, "Oh ja, du bist es wert!" Gemeint ist das Geld, ungefähr 100 Millionen Euro, die beträchtliche und kontrovers debattierte Summe seines Sommertransfers von Tottenham Hotspur zu den Madrilenen. "Tú sí que vales" ist auch der Titel einer spanischen TV-Talentshow.

Nun, die Geschichtsbücher dieses Sports werden vielleicht einmal daran erinnern, dass der 24-jährige walisische Flügelstürmer dem Druck der millionenschweren Erwartungen, die man in ihn steckt, beim Einstand wenigstens ein bisschen gerecht wurde - sogar zählbar: In der 38. Minute schob der Linksfuß im Stil eines Mittelstürmers und mit rechts zum zwischenzeitlichen 1:1 ein, ließ sich nett abklatschen von den Kollegen, formte mit seinen Händen das obligate Herz. Danach blieb er aber unauffällig, bis zu seiner Auswechslung (61. Minute). Vier Bälle eroberte er zurück, sieben verlor er, zwei Mal schoss er aufs Tor, drei Mal flankte er, 14 Mal kamen seine Pässe an, elf Mal gelangten sie zum Gegner. Keine berauschende Statistik.

Aber immerhin spielte Bale in der Auswärts-Begegnung gegen den Aufsteiger aus Villarreal von Beginn an, obwohl er seit drei Monaten keine wirklich ernsthaften Beinübungen mehr vollführt und sich die Zeit vordringlich mit dem Warten auf die Perfektionierung seines Weltrekordtransfers verbracht hatte. Man sah ihm den Formrückstand an, vor allem dann, wenn er auf seiner rechten Seite auch mal in der Abwehr hätte aushelfen müssen. Hinten lotterten die Königlichen nämlich heftig. Vorne traf zwar noch einmal Stürmer Cristiano Ronaldo, der am Sonntag seinen Vertrag bei Real bis 2018 verlängerte. Ronaldo ist seit Bales Wechsel zwar nicht mehr der teuerste Profi, aber stimmt die kolportierte Summe von 17 Millionen pro Jahr, dann kassiert er ab sofort wenigstens in Spanien das meiste Geld - mehr sogar als Lionel Messi vom FC Barcelona.

Reals Gesamteindruck bei Villarreal war dennoch mäßig. Der Schlussstand von 2:2 reflektierte die Kräfteverhältnisse auf dem Platz nicht: Villarreal, ein Team mit Spielern aus der zweiten Liga, war über sehr weite Strecken die bessere Elf, ließ sich von den großen und teuren Namen auf der Gegenseite nicht beeindrucken, griff fast unentwegt an - schnell, vertikal, oft mit originellen Kombinationen. Man wähnte sich an Zeiten erinnert, da die Grell- gelben einmal Europa aufmischten, 2006, da schaffte man es bis ins Halbfinale der Champions League.

Wenn es gegen Real dennoch nicht zum Sieg gereicht hat, dann nur, weil Reals Torwart Diego López gegen seinen früheren Verein seine vielleicht beste Leistung gezeigt hat, Schüsse aus nächster Distanz parierte, auch solche, die schier unmögliche Reflexe abverlangten. Marca titelte danach mit einem Seitenhieb gegen die Superstars: "Der Galaktische war López." Es war schon erstaunlich, gar eine Spur denkwürdig, wie leicht sich die Stürmer von Villarreal zu ihm durchspielen konnten.

Diego López steht auch im neuen Jahr im Zentrum einer alten Polemik. Hatte man doch bisher gedacht, der groß gewachsene Torwart mit dem schütteren Haar sei nur zu Ehren gekommen, weil der frühere Trainer José Mourinho über ihn ein Machtspielchen inszenieren konnte - gegen den langjährigen Kapitän Reals, Iker Casillas. Die beiden konnten sich nicht leiden.

Als Mourinho ging, schien es, als rücke sich die Hierarchie auf dem Torwartposten wie automatisch wieder ins Lot. Es war eine Fehleinschätzung. Der neue Coach Carlo Ancelotti hat zwar keine zwischenmenschlichen Probleme mit Casillas. Doch auch der Italiener zieht ihm die Nummer zwei vor: Er machte López zu seiner festen Nummer eins für die spanische Meisterschaft. In der Champions League dagegen soll immer Casillas im Tor stehen - erstmals am Dienstag in Istanbul gegen Galatasaray.

Passieren ihm Fehler, dürfte er aber bald auch auf europäischer Bühne López' Atem im Nacken spüren. Wie sehr ihn diese Rückstufung schmerzt, sagt Casillas nicht. Wenigstens nicht öffentlich. Er ist erst 32, ein schönes Torwartalter. Da ist noch viel drin. Offenbar überlegt sich Casillas, ob er seinen Lebensverein, der ihn zur Legende machte, bald verlassen soll. Seine Freundin, die Fernsehmoderatorin Sara Carbonero, deutete schon an, sie wisse nicht, ob ihr gemeinsames Kind in Madrid oder im Ausland auf die Welt kommen werde: Die Dame ist schwanger.

Wenn die Polemik um Casillas' langsame, aber wohl unaufhaltsame Entzauberung trotzdem nicht mehr ganz die Lautstärke erreicht wie noch im letzten Jahr, dann hat das nur mit der Verpflichtung von GB11 zu tun, dem großen Aufreger der Zwischensaison. Offenbar wäre ein anderer Verein bereit gewesen, noch mehr Geld in Gareth Bale zu investieren als Real. Und da Ancelotti diese Nachricht in Umlauf brachte, der ja davor in Paris als Coach fungiert hatte, glaubt man in Spanien, dass die Offerte von den katarischen Besitzern des PSG gekommen sein müsse. Bale aber hatte eine klare Präferenz. Er soll gar bereit gewesen sein, auf einige zusätzliche Millionen Euro Salär zu verzichten, die man ihm in Paris angeboten hatte, um nach Madrid wechseln zu dürfen. Doch wahrscheinlich wird diese sehr relative Genügsamkeit die ironischen Chöre nicht verhindern können. Auch die Pfiffe nicht. Die Fans von Villarreal verabschiedeten ihn mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Ganz anders erging es da jenem Mann, den Bale in Madrid verdrängt hat und der am Wochenende ebenfalls seine Premiere an neuer Wirkungsstätte gab: Mesut Özil, so dringt es bis nach Spanien, war die dominierende Figur beim Auswärtssieg (3:1) seines FC Arsenal gegen den FC Sunderland. Özil machte wieder das, wofür sie ihn in Spanien liebten, er querte das Mittelfeld mit schnellen Ausfallschritten, lancierte seine Kollegen im Sturm, legte ein Tor auf. In Madrid ist man nun gespannt, ob sein Name beim nächsten Heimspiel noch immer durchs Santiago Bernabéu hallen wird, diesen mächtigen Klangkörper - auch für nostalgische, polemische Chöre.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1771590
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.09.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.