Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf:Die Herzogenauracher Herzbuben

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Kimmich, Gnabry und Volland an der Gitarre: Die neue Musikalität der Nationalelf ist zweifellos steil zu begrüßen - mit ihr ließe sich noch viel erreichen.

Glosse von Philipp Selldorf

Früher war die Nationalelf für ihr Liedgut sowohl berühmt als auch berüchtigt. Die Erkennungsmelodien ihrer Weltcup-Missionen gingen auf zwiespältige Weise in die Kulturgeschichte ein. "Fußball ist unser Leben", "Buenos Dias Argentina" oder "Wir sind schon auf dem Brenner" gelten als Kultklassiker und warfen zugleich grundsätzliche Geschmacksfragen auf.

Die Discjockeys aus dem DFB-Haus mussten sich wegen ihrer Vorliebe für konservativen, volkstümlichen Kitsch verantworten, dabei bewiesen sie spätestens 1994 fortschrittliche Gesinnung, als sie für die WM in den USA die "Village People" als Gesangspartner der Nationalspieler engagierten. Die Band spielte explizit auf schwule Stereotypen an.

Im Background-Chor: Kevin Trapp und Mats Hummels

Seitdem hat kein DFB-Team ein Lied mehr aufgenommen, bloß der Bundestrainer, der Mann mit der ewigen Britpopper-Frisur, ist neulich wieder singend in Erscheinung getreten. Auf einer Pressekonferenz sang er, nein, nicht den Oasis-Hit "Don't look back in anger", sondern ein Liebeslied von Barry White. Kenner analysierten: Jogi Löw will nicht mehr auf die verkorkste WM zurückschauen, er blickt nach vorn.

Am Montag ging nun erneut aus dem Kreis des Nationalteams ein Lied um die Welt. Im fränkischen DFB-Lager taten sich die Herzogenauracher Herzbuben Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Kevin Volland zusammen und trugen zur Gitarre "What's up?" der Band "4 Non Blondes" vor. Im Background-Chor: Kevin Trapp und Mats Hummels.

Die neue Musikalität der Nationalelf ist zweifellos steil zu begrüßen. Sie eignet sich außerdem als Mittel, um in der erbitterten Diskussion um die Regenbogen-Symbolik subtil Stellung zu beziehen. Gegen ein Konzert mit "I will survive", "YMCA" und dem kompletten Repertoire von Rainbow wäre die Uefa machtlos.

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