Wahl zum zum Fis-Präsidenten:Versuch einer Palastrevolution
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Beim Fis-Kongress kommt es zum offenen Bruch: Der Schwede Johan Eliasch wird zwar als Präsident bestätigt, doch die wichtigsten Verbände boykottieren seine Wahl. Der Wintersport rast auf schwere Zeiten zu.
Von Johannes Knuth, Mailand/München
Johan Eliasch ließ sich nichts anmerken. Wobei das bei ihm ja so eine Sache ist: zusammengepresste Lippen, eiskalter Blick, so zieht er oft durchs Land. Selbst als Eliasch den Delegierten am Donnerstag, zu Beginn des 53. Kongresses des Ski-Weltverbands Fis, übermittelt hatte, wie sehr es doch sein Herz wärme, sie alle wiederzusehen. Hach.
Nun hatten ihm die Delegierten gerade sein zweites Mandat als Fis-Präsident gewährt, und Eliasch betete rasch die Superlative herunter - als wolle er verhüllen, wie schädlich die vorherigen Minuten für ihn verlaufen waren. Man werde den Schneesport in eine "leuchtende Zukunft" führen, in eine Ära "grenzenlosen Wachstums", dichtete der Schwede. Das Wahlvolk applaudierte, stehend. Dazwischen sah man viele Lücken im Saal: Es waren die vakanten Sitze jener Abgeordneten, die Eliaschs Wahl boykottiert hatten, darunter alle wichtigen Skiverbände, auch der deutsche: weil sie Prozedere und Kandidat als unwählbar empfanden.
Eliaschs Vorgehen erinnert an eine Lawine, die durchs Winter-Resort rollt
Der 53. Fis-Kongresses in Mailand war insofern ein würdiges Finale einer turbulenten ersten Amtszeit des neuen, alten Oberhaupts. Eliasch war vor einem Jahr an die Spitze des wichtigsten Wintersportverbands gerückt; als, nun ja, agiler Unternehmer, der die unter Gian Franco Kasper etwas eingerostete Organisation sanieren sollte. Ein Jahr später erinnert sein Vorgehen eher an eine Lawine, die durch ein Winter-Resort rollt. Insider reden von barschen Umgangsformen und Planlosigkeit (was Eliasch zurückweist), von Enteignungen, von diversen Klagen, die bald die Gerichte beschäftigen dürften. Und jetzt also: ein Präsident, der mit dürren 56 Prozent Zustimmung in seine zweite, nun vierjährige Amtszeit aufbricht, unterstützt fast nur von kleineren bis Kleinstverbänden, die Berge zumeist von Postkarten kennen.
Zwei Tage lang hatten die Delegierten zuvor an einem Plan gemeißelt, Eliaschs Wiederwahl doch noch zu verhindern. Das Problem war nur: Der Amtsinhaber war der einzige Kandidat. Und gewählt ist laut Fis-Statuten, wer 50 Prozent der gültigen Stimmen auf sich vereint - wobei eine gültige Stimme sich allein dadurch auszeichnet, dass man den in diesem Fall einzigen Kandidaten ankreuzt. Die Delegierten hätten ihre Ablehnung nur ausdrücken können, hätten sie aus den Optionen "Ja" oder "Nein" wählen können. Hätte eine Mehrheit mit "Nein" votiert, wäre Eliaschs Posten vakant gewesen, bis zu einem Sonderkongress. Doch diese Wahl-Optionen sehen die Fis-Spielregeln nur vor, wenn das Plenum über Sachfragen abstimmt (als die Delegierten am Donnerstag etwa absegneten, den Namen der Fis in "International Ski and Snowboard Federation" zu ändern).
Die Palastrevolution blieb letztlich im Paragrafendschungel stecken: Als der Kroate Vedran Pavlek beantragte, die Delegierten mit "Ja" oder "Nein" über Eliasch richten zu lassen, bügelte Stephan Netzle, der Zeremonienmeister der Fis, das ab. Pavleks Protest, dass dies undemokratisch sei - eine ablehnende Haltung könne ja nur verpuffen - beeindruckte die Regelwächter nicht. Daraufhin kam es zum großen Stühlerücken. Sämtliche Delegierte, die später die 44 Prozent der nicht abgegebenen Voten auf sich vereinten, verließen den Raum, vor dem eiskalten Blick des Amtsinhabers. Darunter die Österreicher, Schweizer, Deutschen und Skandinavier. Ein massiver, offener Vertrauensbruch.
Nach SZ-Informationen erwogen die Deutschen, Österreicher und Schweizer noch am Donnerstag, gegen die Wahl zu klagen, was der DSV dann auch bestätigte. Eine Wahl, bei der die Delegierten nur eine Option hatten, um eine gültige Stimme abzugeben, nämlich mit Ja zu stimmen, sei "schlichtweg eine Farce", sagte Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Skiverbandes, der Sportschau. Das sei "nach Ansicht unserer juristischen Experten auch nicht konform mit dem Schweizer Vereinsrecht", dem die Fis unterliegt.
Die Nationalverbände sollen zustimmen, dass die Fis alle TV- und Marketingrechte verwaltet - möglichst sofort
Wie das nun weitergehen soll: die größten Verbände in der Opposition, ein als kaum kompromissbereit geltender, schwer angezählter Präsident? Eliasch parierte das auf Nachfrage kühl, wie immer: Man müsse halt die Statuten befolgen, jeder habe das Recht auf seine Meinung, das Prozedere war jederzeit "fair und transparent". Auch das war, nun ja, originell. Hätten die Unzufriedenen einen Gegenkandidaten nominieren wollen, hätten sie das bis zum 31. März tun müssen. Nur: Eliasch hatte erst rund eine Woche später konkret seine Pläne im Fis-Council vorgestellt.
Die Delegierten aus den Nationalverbänden sollten da Knall auf Fall zustimmen, dass die Fis so schnell wie möglich alle TV- und Marketingrechte verwaltet - wobei diese nach Aktenlage und Auffassung vieler Juristen bei eben den großen Nationalverbänden liegen, die die Weltcups ausrichten, bzw. deren Partneragenturen. Dass Eliasch diese Verträge für haltlos hält, was langwierige Prozesse nach sich ziehen könnte, hatte zuletzt für den größten Zwist gesorgt - und, in mittelbarer Folge, auch dazu, dass Christian Pirzer, der Chef einer dieser Agenturen, Eliasch verklagt hat, wegen Verleumdung.
Eliasch streifte auch dieses Thema am Donnerstag bloß. Man werde sich bald mit allen betroffenen Landesverbänden beraten, fürs Erste gelten die bisherigen Verträge. Es war eine von vielen Schlappen, die der Präsident in Mailand kassierte. Ein neues, umstrittenes Kombinationsformat für die Alpinen: vertagt. Das Fis-Council, der Rat des Verbandes: weiterhin mit Franz Steinle besetzt, dem Präsidenten des Deutschen Skiverbandes, der sich als Jurist und Kenner von Vertragswerken dem Vernehmen nach bei Eliasch nicht gerade beliebt gemacht hat. Der Amerikaner Dexter Paine, einer von Eliaschs größten Allianzen, verlor dagegen seinen Sitz. Und auch die alpine Ski-WM 2027 vergab das Council nicht nach Soldeu/Andorra, das Eliasch favorisiert hatte, sondern in die Schweiz, nach Crans-Montana.
Garmisch-Partenkirchen, der deutsche Bewerber, war übrigens mit einer Stimme gescheitert - die von Steinle gekommen war - was große Enttäuschung hervorrief. Kenner hatten dem bayerischen Standort aber ohnehin kaum Chancen eingeräumt gegen die weit besser vernetzte Konkurrenz. Ein Trost war, dass Oberstdorf die Skiflug-WM 2026 erhielt, als einziger Bewerber. Und Garmisch-Partenkirchen, das zeitweise aus allen alpinen Rennkalendern herausgefallen war, ist im kommenden Winter nun doch vertreten, mit drei Rennen der Männer. In Anbetracht der Querelen im Dachverband ist das vielleicht sogar mehr wert als manche WM-Verpflichtung.