Süddeutsche Zeitung

Eishockey:Die Paradereihe brilliert wieder

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Die Eisbären Berlin setzen in der ersten Playoff-Runde ihren Lauf fort - dank den Offensivkräften Ortega, Ranford und Aubry.

Von Johannes Kirchmeier, Straubing

Als die Eishockeyspieler am Mittwochabend zum letzten Mal spielbereit und in voller Montur aufs Eis flitzten, rockte Rammstein aus den Lautsprecherboxen im Straubinger Eisstadion am Pulverturm: "Ich tu dir weh. Tut mir nicht leid!" Ein recht viel besseres Lied hätte der Stadion-DJ nicht wählen können. Diese Partie zwischen dem Hauptrunden-Achten Straubing Tigers und dem Neunten Eisbären Berlin ging an die Substanz - sowohl an die der Spieler als auch an die der Zuschauer. Es war ein enges Duell in der ersten Playoff-Runde, das um kurz nach 22 Uhr beim Stand von 2:2 verlängert werden musste. Die Regularien der Deutschen Eishockey Liga (DEL) wollen es ja so, dass jede Partie einen Sieger findet, das erste Tor entschied nun darüber.

Und so bedienten sich die beiden Teams am ersten Playoff-Abend der Saison ihrer letzten Kräfte, rannten noch flinker als in den ohnehin schon intensiv geführten 60 Minuten übers Eis, ehe der Außenseiter den entscheidenden Fehler machte: Beim Straubinger Konter sprang der Puck Berlins Austin Ortega vor den Schläger. Im Gegenzug umlief dieser vor dem Tor von Jeffrey Zatkoff seinen Sturmkollegen Brendan Ranford, steckte ihm den Puck zu, bekam ihn wieder - und leitete ihn ins Tor weiter. "Sudden Death", plötzlicher Tod, nennt man das schnelle Ende. Plötzlich tot haben sich die Straubinger einen Moment lang auch gefühlt, es war still im Stadion. Ortega scharrte vor dem 3:2 mit seinem Schläger wohl nicht nur übers Eis, sondern auch ein Stück ins niederbayerische Fleisch am Aschermittwoch. Tat ihm nicht leid. Rammstein, das muss man noch erwähnen, ist eine Berliner Band.

Die Eisbären haben sich nun in eine formidable Ausgangsposition gebracht. Mit ihrem siebten Sieg aus dem achten Spiel seit der Länderspielpause im Februar sind sie der Viertelfinal-Teilnahme nahe. Denn in der "Best-of-three"-Serie müssen die Hauptstädter nun nur noch an diesem Freitag in der eigenen Halle gewinnen (19.30 Uhr). Verlieren sie, gibt es am Sonntag ein Entscheidungsspiel in Straubing. "Besonders das Siegtor hat Ortega schön herausgespielt", sagte Berlins Trainer Stéphane Richer. "Ich will aber nicht nur einen Spieler herausnehmen. Er hat wie die gesamte Mannschaft super gespielt."

Einen großen Anteil an der neuen Stärke des Rekordmeisters, der lange durch die Saison taumelte und im Dezember Richers Vorgänger Clement Jodoin entließ, trägt der 1,73 Meter kleine Ortega aber schon. Der 24-Jährige spielt erst seit Mitte Februar in Berlin. Nach fünf Spielen, zwei Toren und sieben Vorlagen in der Hauptrunde traf er nun zweimal in seiner ersten Playoff-Partie in der DEL: Er brachte die Eisbären bereits 2:1 in Führung (41. Minute), nachdem Kollege Martin Buchwieser das 1:1 erzielt hatte (30.). Der schnelle Rechtsaußen Ortega hat die viertschwächste Hauptrunden-Offensive nach seiner Ankunft schlagartig verbessert, mit Ranford und Louis-Marc Aubry brilliert er in der Paradereihe. Das Duell der ersten Reihen hatte Berlin dank Ortega 2:0 gewonnen am Mittwoch, ein Knackpunkt im Spiel. Pünktlich zu den Playoffs sind die Eisbären wieder in Schwung gekommen und wecken daher Erinnerungen an 2017: Damals siegten sie ebenfalls 3:2 nach Verlängerung in Straubing und scheiterten erst im Halbfinale am späteren Meister EHC RB München.

Trotzdem gab Richer zu bedenken: "Das Glück war auf unserer Seite. Ich erwarte das gleiche enge Spiel in Berlin." Noch steht sein Team bisweilen auf einem wackligen Fundament. 70 Minuten lang hielten die Spieler des kleinsten DEL-Standorts beachtlich mit, deren Trainer Tom Pokel hatte sie gut eingestellt gegen den deutlich kostspieliger aufgestellten Favoriten. Eisbären-Torwart Kevin Poulin rettete mehrmals in höchster Not, lediglich der frühere Berliner Vladislav Filin (24.) und Antoine Laganière (47.) bezwangen ihn.

Zudem kam Berlin entgegen, dass die Schiedsrichter knapp fünf Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit bei einem strittigen Check des Olympia-Silbermedaillengewinners von 2018 Jonas Müller lediglich auf eine Zwei-Minuten-Strafe entschieden. Mit seinem Kopf schlug dessen Gegenspieler Filin in der Bande ein. Müller könnte jedoch nachträglich gesperrt werden, sollte sich der DEL-Disziplinarausschuss mit der Szene befassen. Filin zog sich eine Gehirnerschütterung und einen Riss des vorderen Kreuzbandes zu und fällt ebenso für den Rest der Saison aus wie Sturmkollege Kael Mouillierat, der sich das Bein brach. Berlin tat weh.

Pokel fährt trotzdem hoffnungsfroh in die Hauptstadt: "Wir haben eine hervorragende Moral im Team", sagte er, "wir wissen, was wir zu tun haben." Was ihn da so sicher macht? Die eine Mannschaft, gegen die Berlin seit Anfang Februar unterlag, das waren ja schließlich seine Straubing Tigers - und zwar mit 3:7. Diese Serie könnte also auch den Berlinern durchaus noch weh tun.

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Quelle:
SZ vom 08.03.2019
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