Süddeutsche Zeitung

E-Sport:Derby im Wohnzimmer

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Özil zockt gegen Draxler, die Bayern-E-Basketballer spielen ein Euroleague-Duell gegen Fenerbahce, und in Spanien wird ein Derby auf der Playstation entschieden: Der E-Sport könnte als Gewinner aus der Corona-Krise gehen.

Es ist der Albtraum eines jeden Gamers: ein Virus im System. Im Normalfall drohen dann Shutdown, Reboot und im schlimmsten Fall ernsthafte Schäden. Während aber Sport-Deutschland in Zeiten von Corona gerade genau ein solches Szenario fürchtet, könnten ausgerechnet die E-Sportler als Gewinner aus der Krise gehen. Gezockt wird eben auch in der Quarantäne. Europas beste League-of-Legends-Liga LEC zum Beispiel, die sonst in Berlin-Adlershof vor Studiopublikum ausgespielt wird, hat am Freitag wieder ihren Spielbetrieb aufgenommen. In der Vorwoche war die Liga wegen der Corona-Pandemie unterbrochen worden, schnell traf Hersteller Riot Games die nötigen Vorkehrungen, um trotz des Virus online weitermachen zu können.

"Am Beispiel der LEC sehen wir, dass der elektronische Sport schnell adaptieren kann. So gelingt es, dass Events weiter stattfinden und Ligen fortgeführt werden können", sagte Tim Reichert, Chief Gaming Officer von Schalke 04. Die fünf königsblauen E-Sportler spielen ihre LEC-Matches nun vom gut 200 Quadratmeter großen Gaminghaus in Berlin-Charlottenburg aus, in dem die Athleten ansonsten trainieren. Dies wird übrigens jetzt im heimischen Apartment erledigt. Die Krise schränkt den E-Sport also aktuell auch ein. "Zunächst haben wir die Spieler angehalten, sich in Selbstquarantäne zu begeben und das Apartment nur zu verlassen, wenn es absolut erforderlich ist", sagte Reichert. Darunter fallen die LEC-Spiele.

Sie befinden sich dennoch in einer recht privilegierten Situation, wenn man sie mit jener der Fußballer vergleicht. Finanziell trifft die E-Sportler die derzeitige Lage sanfter. Sponsoren, die im virtuellen Sport einen großen Anteil der Einnahmen ausmachen, bleiben ruhig. "Unsere Hauptassets wie digitaler Content können weiter produziert werden. Die Ligen und Spieltage finden statt. Entsprechend gering sind die Auswirkungen auch für unsere Partner", meinte Reichert.

Da er auch eine Fifa-Abteilung verantwortet, weiß Reichert, dass nicht alle E-Sportler so ein Glück haben wie die LEC-Spieler. Die globale Fifa-Serie, die als Qualifikation für die große WM im Sommer dient, liegt momentan komplett auf Eis. Das schließt das Finale der Virtual Bundesliga ein - die deutsche Einzel-Meisterschaft war für den 28. und 29. März in Köln geplant. "Es ist genau so, als wenn die Fußballprofis nur noch trainieren und nicht mehr spielen würden", sagte Fifa-Profi Benedikt Saltzer vom VfL Wolfsburg. Die virtuellen Fußballer eint das Schicksal mit ihren Kollegen vom grünen Rasen. Jüngst erst maß sich 2014-Weltmeister Mesut Özil mit seinem früheren Nationalmannschaftskollegen Julian Draxler im vielbeachteten Fortnite-Stream, und in Spanien spielen Fußballprofis die abgesagten Matches derzeit an der Konsole aus. Sergio Reguilon (FC Sevilla) und Borja Iglesias (Betis Sevilla) duellierten sich gerade erst vor 62000 Zuschauern im Derby.

Abseits des Fußballs hat die Formel 1 am Freitag angekündigt, die ausgefallenen Rennen virtuell austragen zu wollen, Fahrer wie Max Verstappen und Lando Norris nahmen ohnehin schon bei den virtuellen Events teil. Bayern Münchens E-Basketball-Abteilung lud mit Unterstützung von Nationalspieler Maodo Lo für Freitagabend zum Euroleague-Duell mit den Zockern von Fenerbahçe Istanbul. Irgendwie versuchen alle, die Fans bei Laune zu halten. Der E-Sport, findet Reichert, ist das perfekte Mittel: "Die Bevölkerung wird aller Voraussicht nach einige Zeit zuhause verbringen müssen und nach Unterhaltung suchen, die E-Sport bietet."

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SZ vom 21.03.2020 / SID
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