Süddeutsche Zeitung

Doping im deutschen Spitzensport:Gefallene Ikonen

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Erst Dressurreiterin Isabell Werth, nun Eisschnellläuferin Claudia Pechstein: Die jüngsten Dopingfälle treffen den deutschen Sport hart. Denn in der Kritik steht nicht das Fußvolk - sondern die Prominenz.

K. Hoeltzenbein

Es wird leer auf dem Olymp. Auf jenem Berg, der der griechischen Mythologie nach der Berg der Götter ist, und auf den die Deutschen bislang - sinnbildlich - gerne ihre Olympiasieger stellten. Vom Olymp gestürzt ist nicht irgendwer in diesen Tagen, gestürzt sind Sportlerinnen, die hierzulande als Ikonen galten.

Drastisch ausgedrückt: Die Dopingfälle um Isabell Werth und Claudia Pechstein kommen Enthauptungsschlägen für den deutschen Spitzensport gleich. Denn es trifft nicht irgendwen aus dem Fußvolk, es trifft die Prominenz, die Langzeit-Jubel-Gesichter der olympischen Bewegung.

Isabell Werth ist mit fünf Goldmedaillen die erfolgreichste Dressurreiterin überhaupt, Claudia Pechstein gar mit Olympia-Starts 1994, 1998, 2002 und 2006 und insgesamt neun Medaillen (fünf Mal Gold) die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin der Geschichte.

So unterschiedlich ihre Fälle sind, so differenziert sie im Detail zu beurteilen sind, sie bündeln in einer Aussage: Der deutsche Sport ist in seinen Grundfesten erschüttert, er ist in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt, die jener der Tour de France ähnelt, und die sehr, sehr lange vorhalten wird.

Im Fall von Isabell Werth war ihr Pferd Whisper gedopt, der Tierarzt hatte die Substanz Fluphenazin gegen die Zitterkrankheit verabreicht. Ein Fehler, gab Werth zu, aber auch der Vorfall um Whisper ist nur einer von vielen, die den für Deutschland so medaillenträchtigen Pferdesport generell ins Zwielicht setzen. Wem soll man noch glauben? Welche Leistung ist sauber, welche Betrug?

Deutliche Schwankungen

Es sind die alten, naiven Fragen die jetzt wieder gestellt werden, und auf die es offenbar eine weitere bittere Antwort gibt: Im Ausdauerbereich steht nun wohl jeder Spitzensportler unter Verdacht. Auch der Eisschnelllauf stand ja hierzulande - wie das Pferd - im Zentrum der Medaillenbilanz.

Und Claudia Pechstein ist nicht durch eine positive Dopingprobe überführt worden, ihr wurde eine Art Indizienprozess gemacht: Sie habe Schwankungsbreiten in ihren Blutwerten, die, so die Fahnder, eindeutig auf den Konsum künstlicher, also verbotener Mittel hinweisen würden.

Dies ist ein neues Verfahren, vergleichbar mit dem Vorgehen der Steuerfahndung: Wer plötzlich sechs Millionen Euro zu viel auf dem Konto hat und dies nicht erklären kann, dem wird der Prozess gemacht - auch wenn er nicht direkt beim Banküberfall oder bei der Geldwäsche erwischt wurde.

Was noch droht? Ein deutscher Dopingfall könnte die Leichtathletik-WM beschädigen, das große Berliner Sportfest im August. Die Fahnder, das zeigt der Fall der Sportikone Pechstein, sind klüger geworden, es ist nicht leicht, ihnen zu entkommen.

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Quelle:
SZ vom 04.07.2009
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