Süddeutsche Zeitung

Doping-Affäre:Erfurter Praxis betreute auch viele deutsche Sportler

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Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Mitten in Deutschland, im Norden von Erfurt, liegt die Arztpraxis, die im Zentrum des neuen großen Doping-Skandals steht. Aber manche Teile des deutschen Sports versuchen den Eindruck zu erwecken, als hätten sie mit dieser Affäre gar nichts zu tun. Am Donnerstagmittag beeilten sich zum Beispiel Vertreter des Ski- und des Radsport-Verbandes mitzuteilen, dass es bei ihren Athleten keine Verbindungen dorthin gebe beziehungsweise der mutmaßliche Doping-Arzt bei ihnen keine Rolle gespielt habe. Und auch Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), äußerte sich mit eindeutig klingenden Worten: "Nach all dem, was mir bis zum jetzigen Zeitpunkt vorliegt, gibt es nicht einen deutschen Athleten, der von dieser Praxis betreut oder - ich spreche jetzt von Kader-Athleten - in irgendeiner Form untersucht wurde", sagte er im ZDF.

Doch ganz so eindeutig ist die Sache nicht. Denn auch wenn unter den bisher festgenommenen Sportlern keine deutschen sind, sondern Österreicher und Osteuropäer, so ist doch klar, dass es auch enge Verbindungen zwischen deutschen Athleten und der Praxis gibt. Der von den Strafermittlern als angeblicher Doping-Drahtzieher ausgemachte Sportmediziner Mark Schmidt selbst, der die Praxis gemeinsam mit seiner Mutter betreibt, berichtete darüber in der Vergangenheit. "Wir betreuen hier etwa 50 bis 60 Sportler regelmäßig: vor allem Schwimmer, Radsportler, Fußballer, Handballer und Leichtathleten." Außerdem war die Praxis über viele Jahre eine sogenannte "Sportmedizinische Untersuchungsstelle" des Landessportbundes Thüringen (LSB).

Am Donnerstag erklärte der LSB, dass der Erfurter Praxis "mit sofortiger Wirkung" diese Lizenz als Untersuchungsstelle entzogen werde. Solche Untersuchungsstellen dürfen etwa die Sporttauglichkeit von jungen Talenten prüfen, die auf ein Sportgymnasium wechseln wollen. Allein im Jahr 2018 seien zirka 75 D-Kader-Athleten, also junge Sportler, aus den Sportarten Gewichtheben, Schwimmen und Radsport, in der Erfurter Praxis untersucht worden, teilte der Landessportbund mit. Das war offenkundig ein Widerspruch zu Hörmanns Aussagen. Der DOSB erklärte dies auf Nachfrage damit, dass der D-Kader ein Landeskader und in der Verantwortung der Landesverbände sei, Hörmanns Aussage sich auf Bundeskader bezogen habe; gesprochen hatte der DOSB-Boss aber von "Kader-Athleten".

Frühere Radprofis erhoben schon vor Jahren Vorwürfe gegen Schmidt

Es ist allerdings die Frage, wieso die Praxis bis zuletzt überhaupt den Status als "Sportmedizinische Untersuchungsstelle" innehaben durfte. Denn gegen den Sportmediziner Schmidt hatte es schon vor Jahren gravierende Vorwürfe von früheren Radprofis gegeben. Diese bezichtigten ihn, in seiner Zeit als Teamarzt bei Gerolsteiner in den Nullerjahren in Dopingpraktiken verwickelt gewesen zu sein, Schmidt selbst wies das stets zurück.

Der Landessportbund erklärt die Lizenzvergabe so: Bereits Ende der Neunzigerjahre habe die Praxis den Status als "Sportmedizinische Untersuchungsstelle" erhalten. Damals führte sie noch alleine Schmidts Mutter, gegen die es im Kontext der aktuellen Ermittlungen keine Vorwürfe gibt. Alle vier Jahre würde die Lizenz verlängert, und im Rahmen einer dieser Verlängerungen sei eben Mark Schmidt in die Praxis eingetreten. "Diesen Umstand haben wir leider (...) nicht berücksichtigt", sagte der LSB-Präsident Stefan Hügel am Donnerstag. "Das hätte nicht passieren dürfen. Wir haben an dieser Stelle nicht tiefgründig genug die bestehenden Dopingbelastungen (...) bewertet. Dies war falsch."

Unabhängig von den jungen Talenten und der "sportmedizinische Untersuchungsstelle" ist aber die Frage, welche deutschen Sportler die Praxis ansonsten aufsuchten. Schmidt selbst hatte ja von 50 bis 60 Athleten aus verschiedenen Sportarten gesprochen. Auf eine SZ-Anfrage hin erklärte der DOSB, man werde aufgrund der nun erhobenen Vorwürfe gemeinsam mit dem Landessportbund Thüringen und dem dortigen Olympiastützpunkt "umgehend und im Detail prüfen, inwieweit Kaderathleten Kontakt zu dieser Praxis haben".

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Quelle:
SZ vom 01.03.2019
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