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Diego Simonet:Sie nennen ihn Handball-Messi

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Von Saskia Aleythe, Köln/München

Am Ende hatte Diego Simonet auch noch Ähnlichkeit mit Superman. Der Spielmacher der französischen Handballmannschaft Montpellier HB knotete sich nach Schlusspfiff die argentinische Flagge um den Hals, dann wehte sie wie ein Cape von seinen Schultern. Den einen Pokal ließ er an diesem Abend nicht mehr los, den anderen musste er mit seinen Kollegen teilen: Als erster Nicht-Europäer ist der 28-Jährige zum besten Spieler der Champions-League-Saison gewählt worden und gewann auch noch als erster Argentinier mit seinem Team das Turnier, das als Wichtigstes im Klubhandball gilt. Das erklärt, warum Simonet in der Szene oft einen Beinamen verpasst bekommt, der an einen berühmten Landsmann aus dem Fußball erinnert: Handball-Messi.

So steckten in den Szenen, die sich am Sonntagabend in Köln abspielten, gleich mehrere Geschichten. Die von Simonet, der mit erstaunlicher Spielübersicht und sechs Toren im Finale sein Team zum Titel geführt hat, obwohl er mit 15 Jahren noch über eine Fußballkarriere in seiner Heimat nachdachte. Und die womöglich noch größere: dass mit Montpellier HB ein Verein triumphierte, von denen es auch im Handball zunehmend weniger gibt, wenn es um den Kandidatenkreis um große Titel geht: ein Klub also, der nicht durch die Großzügigkeit einzelner Investoren die besten Spieler des Gewerbes zusammenkauft.

"Als Argentinier hast du solche Spiele nicht oft", sagte Simonet nach dem gewonnenen Finale, "unsere Nationalmannschaft spielt im Nirgendwo." Als Letzter stand er noch auf dem Podium, auf dem Boden klebten die sektdurchtränkten Goldschnipsel der Siegerehrung. "Auch unser Klub musste lange auf so ein Spiel warten. Die Gefühle sind unbeschreiblich."

Bereits 2003 hatte Montpellier die Champions League gewonnen, in einer Zeit, in der der jetzige Konkurrent Paris Saint-Germain noch nicht durch katarische Geldflüsse zum Ligakrösus aufgestiegen war. Schon damals Trainer des Erfolgs in Montpellier: Patrice Canayer. 14 Meistertitel hat er dem Verein in 24 Jahren beschert, seit 2015 stand aber immer Paris ganz oben, nun tröstete man sich halt mit dem begehrteren Pokal. 32:27 (16:13) hatte Canayers Team HBC Nantes (mit dem ehemaligen deutschen Nationalspieler Dominik Klein) besiegt, es war ein hochklassiges Spiel mit enormem Tempo. Simonet dirigierte die Angriffe, links, rechts, überall. Im Vergleich zum Halbfinale war das eine kleine Explosion des Rückraumspielers, gegen Vardar Skopje gelang ihm nur ein Treffer - freilich der entscheidende, 15 Sekunden vor Schluss. "Wir haben gezeigt, dass wir da sein können, wenn es darauf ankommt", sagte Simonet. Schon im Achtelfinale gegen Barcelona hatte er am Ende seinem Team das Weiterkommen gesichert.

Montpelliers Trainer formte einst Weltklassespieler

Dass weder Paris noch Skopje dieses Finale bestritten, war eine große Überraschung gewesen: Sind sie doch jene Teams, die sich in den vergangenen Jahren etliche Handballgrößen des Planeten geleistet haben und es damit sprungartig in die Endrunden der Champions League schafften. Der mazedonische Vertreter Skopje gewann im Vorjahr den Titel, davor krönte sich KS Kielce aus Polen zum Sieger, 2015 scheiterte KC Veszprem aus Ungarn erst im Finale an Barcelona - Kielce und Veszprem gehören zu jenen Klubs, die mittlerweile die höchsten Gehälter im Handball zahlen.

Auch deswegen ist es besonders, dass nun Simonet als herausragender Akteur gewählt wurde. 2009 kam er nach Europa, spielte erst in der spanischen Liga beim mittlerweile bankrotten CB Torrevieja, 2013 lotste ihn Canayer von Ivry nach Montpellier. Der Trainer musste sein Team massiv umbauen, unter anderem die Karabatic-Brüder hatten sich nach ihrem Wettskandal verabschiedet. Auch Torwart Thierry Omeyer spielte einst in Montpellier. Nun stehen eben Simonet und auch Melvyn Richardson - Sohn des ehemaligen Welthandballers Jackson Richardson - für ein neues Montpellier.

Am Morgen nach seinem Triumph meldete sich Simonet per Instagram, den großen Pokal an sich gelehnt. "Con mi nueva amiga", schrieb er dazu, mit seiner neuen Freundin also. Es ist dann doch nicht nur der Fußball, der einen Argentinier glücklich machen kann.

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SZ vom 29.05.2018
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