Süddeutsche Zeitung

DFB-Team:Löw pfeift die Fans zurück

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Joachim Löw gibt sich vor dem ersten EM-Qualifikationsspiel trotz Testspielpleite gelassen. Jérôme Boateng kehrt ins Team zurück, viel mehr will der Bundestrainer gar nicht ändern. Mehr Sorgen als Gegner Schottland bereitet ihm indes das eigene Publikum.

Von Lisa Sonnabend, Kamen

Joachim Löw geriet ins Schwärmen. "Sie sind voller Begeisterung", lobte der Bundestrainer. "Sie lassen nie nach, ihr Team anzufeuern." Löw beschrieb allerdings nicht die Anhänger der deutschen Nationalmannschaft, sondern die des nächsten Gegners. Immer noch angesäuert schob der Bundestrainer hinterher. "Von den Schotten wird man nie Pfiffe gegen ihre eigene Mannschaft hören."

Die Verhöhnung des unglücklichen Torjägers Mario Gomez beschäftigt die Nationalmannschaft auch drei Tage nach der Testspielniederlage gegen Argentinien. "Pfiffe helfen dem Spieler und unserer Mannschaft nicht weiter", klagte Löw auf der Abschlusspressekonferenz vor dem ersten EM-Qualifikationsspiel erneut.

Vielsagende Prognose für Gomez

Der Bundestrainer nutzte dabei die Gelegenheit, Gomez noch einmal zu schmeicheln. Er ließ aber offen, ob der Florentiner Strafraumstürmer am Sonntagabend im Dortmunder Stadion in der Startelf steht. "Es ist nicht das alles Entscheidende, ob er von Anfang an spielt oder nicht", erklärte der Bundestrainer vielsagend. "Wichtig ist, dass er die grundsätzliche Rückendeckung von uns allen bekommt."

Auskunftsfreudiger war der Bundestrainer bei der Frage, wie er die zuletzt schwache Abwehr zu stabilisieren gedenkt. "Ich bin sehr glücklich, dass Jérôme Boateng wieder zurück ist", sagte Löw. Neben dem Bayern-Spieler soll gegen Schottland der erfahrene Benedikt Höwedes als Innenverteidiger agieren. Der junge Matthias Ginter, der gegen Argentinien eine recht flatterhafte Vorstellung bot, muss diesmal von der Bank aus zuschauen.

Wer den Außenverteidiger gibt, stehe dagegen noch nicht abschließend fest, sagte Löw und stellte fest: "Allzu viele Möglichkeiten haben wir ja auch nicht." Es dürften also erneut Kevin Großkreutz und Erik Durm mitmischen, auch wenn sie ebenso wie Ginter nicht überzeugten. Statt Großkreutz wäre allenfalls noch Antonio Rüdiger vom VfB Stuttgart denkbar, der eigentlich Innenverteidiger ist, aber auch Rechtsaußen spielen kann.

Von Durm wird Löw dagegen mit ziemlicher Sicherheit nicht abrücken. Auf der Pressekonferenz pries Löw die Vorzüge des jungen Dortmunders so ausführlich wie ein Spielerberater, der auf dem Transfermarkt mit einem Fußballer ein Millionen-Geschäft einfädeln will. Durm sei wissbegierig, lernfähig, gut in der Offensive, lauffreudig, technisch versiert. Nur im Zweikampfverhalten, das gab Löw zu, müsse der 22-Jährige sich verbessern.

In den missglückten Auftritten seiner Nachwuchsspieler sah der Bundestrainer jedoch auch etwas Positives. "Die brauchen solche Erfahrungen, die brauchen solche Spiele", befand der 54-Jährige. "Noch sind sie keine Weltklassespieler, doch sie sind sehr weit für ihr Alter."

Um die jungen Nationalspieler heranzuführen, plant Löw, sie künftig in den Länderspielpausen zu besuchen, ihnen Tipps zu geben und ihre Spielweise zu analysieren. Denn der Bundestrainer weiß: Nur wenn bis 2016 Durm, Ginter oder Rüdiger Klone von Philipp Lahm oder Per Mertesacker werden, ist es möglich, das EM-Finale in Paris zu erreichen. Dieses hat Löw zu Beginn der Woche als Ziel ausgegeben, am Samstag formulierte er es jedoch schon wieder vorsichtiger.

Keine Angst vor Schottland

Im Sporthotel Kamen schaute sich Löw Szenen aus dem Freundschaftsspiel zwischen Spanien und Frankreich an. Was er sah, beunruhigte ihn. Denn die Spanier seien bereits eine Stufe weiter als die deutsche Elf, die Mannschaft nur wenige Wochen nach dem frühen WM-Aus umgekrempelt und die jungen Spieler bereits integriert.

"Sie haben eine unglaublich gute fußballerische Qualität", analysierte der Bundestrainer. "Ich kann jetzt schon sagen, Spanien wird in Frankreich unter den letzten Vier sein." Löw war derart bestimmt in seiner Prognose, dass er sicherlich ein ganzes Bundestrainerjahresgehalt auf die spanische Elf setzen würde, wenn jemand mit ihm wetten würde.

Über den derzeitigen Stand seiner Elf sagt Löw: "Wir sind nicht so eingespielt, so erfahren wie noch bei der WM. Mit dieser Selbstverständlichkeit geht es jetzt erst einmal nicht." Angst vor dem ersten EM-Qualifikationsgegner hat er dennoch keine. Die Schotten seien sehr motiviert, hätten nichts zu verlieren, sagte er pflichtschuldig.

Mehr Sorgen bereitet Löw das deutsche Publikum. Der Bundestrainer fürchtet, dass in Dortmund erneut ein Spieler ausgepfiffen werden könnte. Diesmal: der dem BVB abtrünnig gewordene Mario Götze, der Finaltorschütze.

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