Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokalfinale: Schalke - Duisburg:Besser als Real Madrid

Lesezeit: 3 min

Schalke gewinnt mit einem souveränen 5:0 gegen Duisburg den DFB-Pokal und rettet eine verkorkste Saison. Die Schalker feiern ausgelassen, einem Spieler ist die Freude über den Sieg besonders anzumerken - und Angreifer Raúl gelingt etwas, was ihm in all den Jahren bei Real Madrid verwehrt blieb.

Carsten Eberts, Berlin

Ein Machtwort von Raúl genügte. Er scheuchte die Fotografen weg, mit zwei, drei schnellen Handbewegungen, alles gehorchte ihm, der Spanier grinste zufrieden. Der 5:0 (3:0)-Pokalsieg seines FC Schalke gegen den MSV Duisburg war zuvor seltsam an ihm vorbeigerauscht. Doch nun, bei den Feierlichkeiten, war der Spanier wieder der Vorsteher seiner Mannschaft.

Mit freier Sicht auf die Fankurve und voller Übermut begannen die Schalker, über den Rasen des Berliner Olympiastadions auf ihre Anhänger zuzurutschen. Einer nach dem anderen holte sich den Jubel ab, manch einer vollführte ein Kunststückchen mit dem goldenen Pokal. Am Ende traten Raúl und Torhüter Manuel Neuer langsamen Schrittes gemeinsam vor die Fans: Ihnen schlugen Wellen der Dankbarkeit entgegen.

Mit dem Erfolg im Pokalfinale hat für den FC Schalke eine ernüchternde Saison doch noch einen versöhnlichen Abschluss gefunden. Der Klub war in der Liga als Meisterschaftskandidat gestartet, um am Ende 14. zu werden. Er stand hoffnungsvoll im Halbfinale der Champions League, um von Manchester United zurechtgestutzt zu werden. Er schmiss seinen Trainer raus, der eigentlich eine neue Ära begründen wollte. Es hätte natürlich gepasst, hätte Schalke nun auch noch das Pokalendspiel verloren. Gegen einen Zweitligisten.

Doch so weit kam es nicht. Der Schalker Sieg in Berlin war nie gefährdet, das 5:0 am Ende sogar in der Höhe verdient - weshalb es zu Gefühlsregungen kam, die man den Schalkern nach der Tristesse der vergangenen Wochen kaum mehr zugetraut hätte: Jefferson Farfán tanzte ausgelassen auf dem Platz, wickelte den goldenen Pokal stolz in seine peruanische Nationalflagge ein. Auch Raúl hatte seine Landesfahne dabei - jedoch nur, um nahe des Mittelkreises ein paar Torero-Bewegungen nachzuahmen.

Manuel Neuer, für den es das letzte Spiel im Schalker Trikot gewesen sein dürfte, warf den Pokal sogar übermütig in die Luft, um ihn jedoch sicher zu fangen. Anschließend sagte er: "Ein Supergefühl. Zusammen mit 50.000 Schalkern in Berlin feiern zu können, das ist ein Traum."

Die 90 Minuten des Spiels indes sind schnell erzählt. Schalke erwischte zum ersten Mal seit fünf sieglosen Spielen einen guten Tag und hatte mit dem genesenen Klaas-Jan Huntelaar einen Stürmer jenen Typs, der aus zwei Chancen zwei Tore macht. Den Zweitligisten aus Duisburg hingegen schmerzte der Ausfall von fünf Stammspielern zu sehr, um vehementer dagegenhalten zu können.

Innerhalb von vier Minuten, als zunächst der junge Julian Draxler (18.) und anschließend Huntelaar (22.) Schalke in Führung brachten, war das Endspiel gelaufen. Benedikt Höwedes räumte mit seinem Kopfballtreffer kurz vor der Pause (44.) alle Zweifel aus, später trafen noch José Jurado (55.) und erneut Huntelaar (70.). "Wir haben in keiner Phase des Spiels etwas zugelassen", merkte Schalkes Manager Horst Held lobend an: "Aber erst nach dem 2:0 und 3:0 hat man gespürt, wie der Druck von uns abfällt."

Beim MSV Duisburg war die Enttäuschung mit jedem Wort greifbar. "Wenn du nach 20 Minuten 0:2 hinten liegst, ist es verdammt schwer für einen Zweitligisten", sagte der Kroate Ivica Banović. Sein Trainer Milan Sasic verkündete mit geröteten Augen und allem Pathos dieser Welt: "Keiner wird diese Mannschaft eine Verlierermannschaft nennen. Aber heute war nicht mehr drin. In der Kabine sind Tränen geflossen, auch von meiner Seite."

Einem Schalker war die Freude über seinen ersten Titelgewinn besonders anzumerken: Julian Draxler. Nach dem Spiel stand er mit einem Berg Schmutzwäsche im Arm vor den Journalisten. "Alles Souvenirs", verriet die Gelsenkirchener Saisonentdeckung stolz mit Blick auf die Trikots und Stutzen, die er mit sich herumtrug. Dass ihm erneut ein wichtiges Pokaltor gelungen war, spielte Draxler herunter: "Es sind ja noch einige mehr gefallen. Da war mein Tor wirklich nicht wichtig."

Beinahe obligatorisch wurde der 17-Jährige noch gefragt, ob er denn in der Kabine auch am Bier genippt habe. "Soweit ich weiß, ist Bier trinken schon ab 16 erlaubt", antwortete Draxler grinsend, "aber falls nicht: Ich habe es auf jeden Fall getan."

Raúl hingegen musste grinsen, als er auf seine persönliche Statistik des Abends angesprochen wurde. Damit war nicht gemeint, dass er seinen Kollegen beim Toreschießen eher zuguckte und es selbst nicht auf einen ansprechenden Schuss brachte: Der Pokalsieg war für Raúl tatsächlich der erste nationale Pokaltitel. Selbiges hatte er in seinen 16 Jahren bei Real Madrid - neben all den Meisterschaften und Champions-League-Titeln - nicht geschafft.

"Ich bin sehr stolz und sehr froh, dass es endlich geklappt hat", sagte Raúl deshalb. Das war weder nett gemeint noch professionell daher geplaudert: Der große Raúl freute sich wirklich über den deutschen Pokal.

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