Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Türkgücü muss warten

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Wer darf im Pokal zu den kriselnden Schalker? Das Landgericht München I gibt die Entscheidung um den Pokalstartplatz zwischen dem Bayerischen Fußball-Verband und dem Drittligisten an den BFV zurück.

Von Christoph Leischwitz

Es stehe nun wieder unentschieden, sagte Jürgen Igelspacher nach der Entscheidung des Gerichts. Doch während der Geschäftsführer des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) das am Mittwoch sagte, sah er eher so aus, als ob er gerade in Rückstand geraten sei. Man habe nach der mündlichen Verhandlung in der Streitsache mit Türkgücü München "schon bessere Hoffnung" gehabt als jetzt, aber immerhin seien dem Verband nicht die Hände gebunden, so Igelspacher. Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny sprach hingegen recht erfreut von einem "Teilerfolg" und fand, dass das Gericht dem Klub in "großen Teilen" Recht gegeben habe: Er gehe davon aus, dass nun Türkgücü im DFB-Pokal gegen Schalke 04 antreten werde.

Die Entscheidung des Landgerichts München I könnte man als Versuch deuten, salomonisch zu handeln. Man habe versucht, sagte eine Gerichtssprecherin, einen Mittelweg zu finden. Der Nachteil für Türkgücü: Die vom Klub erwirkte Einstweilige Verfügung vom 11. September, wonach der BFV Türkgücü für den Pokal zu melden habe und nicht den 1. FC Schweinfurt, wurde wieder aufgehoben. Trotzdem hatte der Antrag, wie auch das Gericht in einer Stellungnahme hervorhob, "überwiegend Erfolg": "BFV und DFB unterliegen als Monopolverbände einer kartellrechtlichen Kontrolle", argumentierte das Gericht. Der BFV hatte am 5. Mai eine Satzungsänderung vorgenommen, um den Pokalstartplatz abzukoppeln von der Regelung, dass der Meister und Aufsteiger aus der Regionalliga Bayern diesen erhält - weil ungewiss war, ob und wann wegen der Corona-Pandemie die Saison beendet werden kann (sie startet erst am kommenden Wochenende wieder in den Spielbetrieb). Das Gericht urteilte, der Verband könne die Nominierungsentscheidung nicht auf die Spielordnung in der Fassung vom 5. Mai stützen.

Kurz: Der Verband, gespickt mit erfahrenen Juristen, hat nach Einschätzung des Gerichts seine formalen Hausaufgaben nicht erledigt. Weil die Begründung für die Meldung des FC Schweinfurt formal nicht ausreichend dargelegt worden sei, wurde die Entscheidung dem Verband jetzt zurückgegeben. Der BFV hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder meldet er Türkgücü zum Pokal. Oder er ändert seine Spielordnung in einer Weise, dass das Gericht keinen Grund mehr zur Beanstandung findet.

Rein fußballerisch ergibt sich damit aber ein großes Problem: Die Frage, wer wann in der ersten Runde gegen Schalke antritt, scheint noch lange nicht geklärt zu sein. Und weil die für den 22./23. Dezember angesetzte zweite Runde am 15. Oktober ausgelost werden soll, ist es gut möglich, dass die Entscheidung bis dahin auch nicht getroffen ist. Es wäre übrigens auch nicht damit getan, einfach eine Kugel mit "Sieger aus dem Spiel Schalke gegen Schweinfurt/Türkgücü" in die Lostrommel zu werfen. Denn im Falle einer Pokalsensation, in der Schalke besiegt wird, würden sich andere Lostöpfe ergeben.

Mit der am Mittwoch ergangenen Entscheidung haben beide Seiten nun allerdings die Möglichkeit, vor dem Oberlandesgericht in Berufung zu gehen. Die Frist für die Berufung beträgt einen Monat - auch wenn davon auszugehen ist, dass alle Beteiligten es eilig haben. Türkgücü-Vertreter Kothny sagte, man stehe für das Pokalspiel bereit. Er wollte es nach der Verkündung der Entscheidung auch "nicht ausschließen", tatsächlich in Berufung zu gehen, wenn "der BFV versucht, sich wieder auf die Schweinfurter Seite zu begeben und die Spielordnung erneut zu ändern."

Genau damit ist allerdings zu rechnen. Der BFV hat immer wieder betont, dass es ihm bei der Vergabe des Pokalplatzes nicht darum ging, Schweinfurt einen Gefallen zu tun, sondern um einen "fairen Interessensausgleich". Dieses Interesse hatte man Türkgücü in der Verhandlung am Montag klar abgesprochen. Eine Überarbeitung der Spielordnung ist somit wahrscheinlich. Sollte Schweinfurt erneut für den Pokal gemeldet werden, könnte der DFB einfach im gewohnten Prozedere fortfahren. Ist das Spiel erst einmal gespielt, könnte es nicht mehr rückgängig gemacht werden, Türkgücü hätte dann nur noch die Möglichkeit, auf Schadenersatz zu klagen. Außer freilich, Türkgücü erwirkt eine weitere einstweilige Verfügung. So oder so wird der vom Verband als bedrohlich empfundene Rechtsstreit noch eine Weile weitergehen.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2020
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