Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Dem Morast entkommen

Lesezeit: 2 min

Nach der Absage des Pokal-Viertelfinales bei Drittligist Lotte gerät Dortmund unter Termindruck - besonders den Nationalspielern stehen strapaziöse Wochen bevor.

Von Ulrich Hartmann, Lotte

Die Sportfreunde Lotte lieben ihren Fußballplatz. Er ist der Boden für ihren Erfolg. Auf diesem mangels Rasenheizung morastigen, unebenen und nur marginal grünbewachsenen Spielfeld in einem Winkel des Autobahnkreuzes Lotte/Osnabrück haben sie im Ligabetrieb bislang zwar bloß vier ihrer elf Heimspiele gewonnen und sind damit das fünftschlechteste Heimteam der dritten Liga - doch im deutschen Pokal-Wettbewerb hat sich der marode Untergrund als geldwerter Heimvorteil erwiesen. Die drei Pokalsiege gegen die Bundesligisten Werder Bremen und Bayer Leverkusen sowie den Zweitligisten TSV 1860 München haben ihnen Prämien und Vermarktungserlöse in Höhe von 2,36 Millionen Euro eingebracht. Ein Sieg über Borussia Dortmund brächte weitere 2,55 Millionen Euro. Damit kämen die Lotter auf Einnahmen jenseits ihres Saisonetats. Kein Wunder, dass ihnen dieser Boden so viel bedeutet.

Am Dienstagabend hat der Platz seine Kapazitäten allerdings überschritten. Auf einem tiefen Boden mit glitschiger Eisschicht wollte der Münchner Schiedsrichter Felix Brych ein Viertelfinalspiel nicht ausgetragen wissen - vor allem, weil das Verletzungsrisiko zu hoch war. Die Partie wurde 50 Minuten vor Spielbeginn abgesagt und sollte tags darauf neu angesetzt werden - wohl für Dienstag, den 14. März, was aber wohl erst am Donnerstag spruchreif wird. Schwieriger als das Datum zu finden, war die Entscheidung, ob man die neuerliche Ansetzung noch einmal für das kleine Stadion in Lotte wagen solle. Denn in zwei Wochen könnte der Platz in ähnlich bedauerlichem Zustand sein, und im April steht bereits das Halbfinale an. Deshalb zog man einen Umzug in Erwägung. Im Paragraphen 7.7. der "Durchführungsbestimmungen" beim Deutschen Fußball-Bund heißt es: "War ein Spielfeld wiederholt nicht bespielbar, so soll der Spielleiter die Spiele auf einem neutralen Platz austragen lassen." Diese Bedingungen sind erfüllt. Nachdem in Lotte die Drittliga-Duelle gegen Kiel (11. Februar) und Chemnitz (25. Februar) wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt worden waren, handelte es sich beim Pokalspiel um die dritte Absage binnen 18 Tagen.

Bereits kurz nachdem Brych die Partie am Dienstag abgesagt hatte, begannen bei den Verantwortlichen die Überlegungen, ob man die Wiederholung guten Gewissens wieder in Lotte ansetzen dürfe. "Das kann dann wieder in die Hose gehen, und uns gehen irgendwann auch die Spieltermine aus", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und suggerierte damit den Wunsch nach einer Verlegung in ein anderes Stadion. Optionen wären beispielsweise die in der Nähe gelegenen Arenen in Bielefeld oder Osnabrück.

Die Lotter zeigten sich von der Spielabsage enttäuscht. Mäzen Manfred Wilke sagte: "Wir haben hier schon bei schlechteren Verhältnissen gespielt." Abwehrspieler Tim Wendel fand: "Das ist nicht gerade ein Teppich, aber spielen hätte man schon können." Torwart Benedikt Fernandez beteuerte: "Wir trainieren jeden Tag unter solchen Bedingungen."

Doch Brychs Entscheidung war rechtens. In den DFB-Durchführungsbestimmungen verrät der Paragraph 7 ("Bespielbarkeit"), dass eine Absage vier Stunden vor Spielbeginn getroffen wird oder durch zwischenzeitlich eingetretene Witterungseinflüsse spätestens zwei Stunden vor Spielbeginn -, dass aber der Schiedsrichter ein Spiel "unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Gesundheitsgefährdung der Spieler jederzeit absagen kann". Dies hat Brych am Dienstag um 19.55 Uhr getan. Zuvor hatte es im DFB-Pokal letztmals am 22. Dezember 2010 beim Spiel TuS Koblenz gegen 1. FC Kaiserslautern eine Absage gegeben - wegen Schnees, und schon einen Tag vor der Ansetzung.

In die Erleichterung, um das Pokalspiel auf gefährlichem Boden herumgekommen zu sein, mischte sich bei den Dortmundern jedoch schnell die Sorge um die Terminflut in den nächsten Wochen. Denn sollte der BVB in der kommenden Woche die 0:1-Niederlage in der Champions League gegen Benfica Lissabon gutmachen und ins Viertelfinale einziehen, dann stehen den Nationalspielern unter den BVB-Profis bis Mitte Juni bis zu 23 Spiele binnen gut 90 Tagen bevor. "Das ist schon unangenehm, dass da jetzt noch ein weiterer Termin hinzukommt", klagte Kapitän Marcel Schmelzer, "darüber sind wir nicht glücklich."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3401283
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.03.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.