Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:BVB lobt sich selbst, ohne rot zu werden

Lesezeit: 3 min

Von Javier Cáceres, Berlin

Mats Hummels war nicht zu widersprechen, als er nach dem 3:0-Sieg von Borussia Dortmund im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Hertha BSC den Blick auf die Herausforderung lenkte, die seinem Team in vier Wochen bevorsteht. Das Pokalfinale, klar - an der gleichen Stelle, an der Borussia Hertha BSC besiegt hatte. Doch der Rivale heißt, zum dritten Mal seit 2012: FC Bayern München. Den Bayern gegenüberzutreten "ist eine der größten Aufgaben im Weltfußball", sagte Hummels. Nach dem klaren und überzeugenden Sieg bei der Hertha, den Dortmunds Manager Michael Zorc sogar "nahezu perfekt" nannte, kann man sagen: Dortmund ist gewappnet.

"Wirklich beeindruckend" sei die eigene Leistung gewesen, sagte Hummels, und durfte das auch, ohne rot zu werden. Denn die Art und Weise, wie Dortmund Herthas Traum vom Finale im eigenen Stadion lautlos zerplatzen ließ, war in der Tat berauschend.

Hummels freute sich nicht nur am fußballerischen Vortrag der Borussia. Sondern vor allem an der "verdammt starken Mentalität", die die Dortmunder an den Tag gelegt hatten. So selbstverständlich war das nicht. Die bittere 3:4-Niederlage beim FC Liverpool, gleichbedeutend mit dem Aus im Viertelfinale der Europa League, liegt gerade mal eine Woche zurück. "Das geht mir schon noch auf den Zeiger. Wir hätten da auch noch gerne zwei Halbfinals", gestand Hummels.

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel konnte zu Recht behaupten, seine Mannschaft habe "an ihr höchstes Niveau herangereicht" und eine "sehr dominante Leistung" abgerufen. Hertha hatte der Dortmunder Gesamtkomposition nichts entgegenzusetzen. Im Grunde hatten die Berliner in der ganzen Partie nur zwei Torchancen: Unmittelbar vor der Halbzeit durch Jens Hegeler, der für den brutal vermissten Mittelfeldlenker Vladimir Darida (Knieverletzung) ins Team gekommen war und dessen Lücke nicht ansatzweise schließen konnte, sowie in der zweiten Halbzeit durch Stürmer Solomon Kalou.

Die Dortmunder wiederum waren derart überlegen, dass sie trotz des Ausfalls von Top-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang die Hertha auch hätten demütigen können - was allein Torwart Rune Jarstein verhinderte. Es blieb bei den Treffern von Gonzalo Castro (21.), Marco Reus (74.) sowie dem Tor zum 3:0-Endstand des so inspirierten wie inspirierenden Mkhitaryan (83.).

Gerade bei den Toren war zu sehen, dass die Dortmunder in einem anderen Tempo unterwegs waren als die Berliner, und dass den Berlinern zum Ende einer überaus erfolgreichen Saison - Hertha ist zurzeit Tabellenvierter der Bundesliga - der Sprit auszugehen droht. "Wir sind einen Tick müde", sagte Dardai. Das ist aus seiner Sicht umso bedauerlicher, als die Erfolge der Hinrunde nicht zuletzt auf einem physisch aufwändigen Stil beruhten. Eine so zurückgezogene Hertha-Mannschaft hatte man in dieser Saison im Olympiastadion zuvor noch nicht gesehen.

"Wir waren alle total überrascht, dass Hertha so passiv war am Anfang", sagte Dortmunds Castro. Ansätze von Kritik daran verbat sich allerdings Herthas Trainer Dardai. Nach der Partie lieferte sich der Ungar gar einen erregten Disput mit einem TV-Reporter von Sky. Dardai fürchtet nun, nicht nur von Borussia Mönchengladbach, Mainz 05 oder Schalke in der Tabelle eingeholt zu werden. Sondern vom Genöle in der Stadt.

"Ich lasse mir das hier nicht kaputt reden", zürnte Dardai, der seiner Mannschaft für die Anfangsphase offenkundig aufgetragen hatte, auf Sicht zu verteidigen und die Kräfte für die wenigen Konter zu reservieren, die Dortmund zuließ - eine klassische Underdog-Strategie. Auch wenn man in den vergangenen Wochen stets auf einem Champions-League-Platz campiert habe - "heute hat man gesehen, was das höchste Niveau ist", sagte Dardai und meinte: Hertha sei noch lang nicht da, wo Dortmund nun ist.

Der bisherige Saisonverlauf, so sagte Dardai, sei schön, aber vielleicht "zu viel für alle, für Berlin, für uns" gewesen, "von null auf hundert" durchzustarten, sei "sehr schwierig", da gerate schon mal in Vergessenheit, dass etwa die Abwehrreihe aus Twens bestehe. Immerhin darf sich der Ungar auf eine neue Uhr freuen: Vor dem Spiel hatte er angekündigt, sich von der Finalprämie eine "eklusivere und noch schönere" zu kaufen als die, die er am Handgelenk trägt. "Total deplatziert und respektlos", fand BVB-Geschäfstführer Hans-Joachim Watzke: "Ich schicke ihm jetzt eine BVB-Uhr."

Die Stimmung unter den Dortmundern war gut. Konzentriertes Positionsspiel, geduldige Aufbauarbeit, und aufopferungsvolle Hilfe bei gegnerischem Ballbesitz. Noch ehe die Herthaner darüber nachdenken konnten, was sie mit dem Ball anfangen könnten, waren sie von Dortmundern erbarmungslos umzingelt. Die Dortmunder Spieler bräuchten "die Anspannung solcher Spiele", sagte Tuchel.

Kann der BVB das Niveau jetzt bis zum Pokalfinale aufrechthalten? Der Thrill ist für die Dortmunder in der Meisterschaft weg, Bayern könnte schon an diesem Wochenende - in Berlin gegen die Hertha - Meister werden. Man müsse in den kommenden Wochen "nicht künstlich 110 Prozent" bringen, jedenfalls nicht täglich, andererseits:"Eine 80-Punkte-Saison hätte schon etwas, auch wenn sie letztlich nicht viel mehr bringen sollte als Reputation", formulierte Hummels ein neues Zwischenziel auf dem Weg zum Finale von Berlin, dem letzten verbleibenden Höhepunkt der Saison.

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