Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal: Bayer Leverkusen:Cup der letzten Hoffnung

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Missverständnisse zwischen Trainer Labbadia und der sportlichen Leitung prägen vor dem DFB-Pokal-Spiel gegen Mainz das Klima in Leverkusen.

Philipp Selldorf

Auf das Pokal-Halbfinalspiel gegen den FSV Mainz 05 an diesem Dienstagabend blickt Bruno Labbadia mit Vorfreude, der Trainer von Bayer Leverkusen sagt, er finde es "ganz wichtig, das mal anzumerken". Tatsächlich war nämlich während der vergangenen Wochen und Monate in Leverkusen nur noch selten von der Freude am Fußball die Rede. Die Ergebnisse der Mannschaft gaben dazu keinen Anlass.

An den ersten 13 Spieltagen der Saison hat Bayer 04 mit teils großartigen Auftritten 28 Punkte gesammelt - danach waren es in 15 Partien nur 14 Punkte. In der wahren Fußball-Welt würde dieser Absturz in der Leistungsbilanz eine heftige Trainer-Diskussion hervorrufen. Aber Labbadia hat das Glück, im ruhigen Leverkusen auf eine verhaltene öffentliche Meinung zu treffen und auf ein Publikum, das seinen Gefühlen weniger drastisch Ausdruck verleiht als etwa das in Köln, Schalke oder Stuttgart. Die Debatten werden stattdessen im inneren Zirkel geführt.

Zwischen all den Enttäuschungen im Ligabetrieb sticht außerdem noch das im Februar ausgetragene Viertelfinalspiel gegen den FC Bayern hervor, das Bayer zur Begeisterung des ganzen Fußball-Landes (von den paar Millionen Münchner Fans abgesehen) 4:2 gewann.

Dieser unverhofft herrliche Abend wirkt immer noch als Beruhigungsmittel, daran findet der Klub auch im fortgeschrittenen Frühling noch Trost, zumal da die Nationalspielerin Ariane Hingst bei der Auslosung so freundlich war, Bayer 04 mit einem Heimspiel gegen den mutmaßlich leichtesten Gegner zu bescheren.

Im Pokalduell mit Mainz können die Leverkusener retten, was sie in der Liga längst verloren haben, womöglich müssen sie sogar für den als Saisonziel angestrebten Uefa-Pokal-Platz nicht mehr tun, als das Finale zu erreichen - sofern der Hamburger SV die Champions League erreicht und den Pokal gewinnt.

Die glücklichen Umstände machen aus Leverkusen aber keinen glücklichen Fußballklub. Man ist unzufrieden mit dem Saisonverlauf und dem Ertrag der laut Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser "besten Bayer-Mannschaft seit drei, vier Jahren", und folgerichtig fragt man sich, warum die Versprechen aus dem ersten Saisondrittel, als das Team zwischenzeitlich Erster war, nicht eingelöst wurden. Es geht dabei um den Trainer und dessen Wirkung, um seine Methoden, seinen Ehrgeiz, seine Ansprüche und seine Beharrungskraft, die von den Wohlwollenden als Standfestigkeit, von den anderen als Sturheit bewertet wird.

Die Vereinsverantwortlichen sind sich nicht einig in ihrem Urteil. Von Bruno Labbadia selbst sind keine wegweisenden Erläuterungen zur zwiespältigen sportlichen Lage zu erwarten. Eine tiefere Analyse würde "den Rahmen sprengen", sagt er am Tag vor dem Mainz-Spiel, "das kann man nicht in ein paar Sätzen erklären". Er betont dann aber doch, dass die schlechten Resultate "nicht dazu passen, wie die Mannschaft und wie wir alle zusammenarbeiten". Er sagt, dass "viele Faktoren" zusammentreffen, und nennt, wie es Jürgen Klinsmann in München auch häufig zu tun pflegt, "Entwicklungsprozesse auf dem Platz und auch außerhalb". Später deutet er an, dass die Mannschaft noch um die innere "Balance" bemüht sei, ein leiser Vorwurf steckt darin.

Die Leverkusener Mannschaft ist sehr jung, am Samstag beim 1:2 in Wolfsburg hatte Kapitän Rolfes im Mittelfeld zwei 21-Jährige (Vidal, Renato Augusto) und einen 19-Jährigen (Kroos) zur Seite. In der Abwehrkette ist Friedrich 29-jährig bei weitem der Älteste. Labbadia hätte dem Kader im vergangenen Sommer gerne etwas mehr Erfahrung hinzugefügt, er hätte ohnehin gerne mehr Einfluss auf die Gestaltung des Teams genommen, so wie er es aus seiner Zeit als Trainermanager beim Zweitligsten SpVgg Fürth gewohnt war.

Aber das hat ihm Bayer verwehrt, voran die Sportchefs Rudi Völler und Michael Reschke, dahinter der Stab alteingesessener, einflussreicher Bayer-Leute: Ulf Kirsten, Jürgen Gelsdorf, Norbert Ziegler. Im Gegenzug wehrt sich der Bundesliga-Trainerneuling Bruno Labbadia dagegen, über seine Auffassungen von Training, Taktik und Personalführung zu diskutieren.

Auch die Spieler erleben den 43-Jährigen, der in der Öffentlichkeit professionell und gewinnend auftritt, bei der Arbeit als unnachgiebig. Kapitän Rolfes etwa warb bei seinem Chef vergeblich darum, dass ihm im defensiven Mittelfeld ein Partner zur Seite gestellt wird. Es gibt aus dem Spielerkreis auch Klagen über das harte Training, über Sitzungen und Video-Lehrstunden, in denen der Coach angeblich mit "nervender Akribie" zur Sache geht.

Bei Bayer weiß man noch nicht, wie die Lage um Labbadia zu bewerten ist. Dem Express versicherte Geschäftsführer Holzhäuser: "Wir stehen zu ihm. Wir sind von ihm voll überzeugt. Er bleibt auch unser Trainer, wenn es Dienstag schiefgehen sollte." Dass dieser letzte Trumpf tatsächlich verloren gehen sollte, will sich aber lieber keiner vorstellen.

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Quelle:
SZ vom 21.04.2009
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