Süddeutsche Zeitung

DFB:Fünf Spiele Sperre sind für so ein Foul zu wenig

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Der Mainzer Rodríguez hat den Augsburger Kohr ins Krankenhaus getreten. Dass das genauso bestraft wird wie eine Tätlichkeit ohne gesundheitliche Folgen, ist absurd.

Kommentar von Martin Schneider

Eine Szene aus der zweiten Liga: Am vierten Spieltag tritt Hannover 96 gegen Dynamo Dresden an, Hannover liegt 0:2 hinten und Salif Sané ist frustriert. In der 79. Minute ist zu sehen, wie er mit Dresdens Stefan Kutschke spricht, dann intensiver diskutiert und dem Dresdner ins Gesicht langt. Er schlägt ihn nicht, sondern er legt seine Hand aufs Gesicht und drückt den Kopf von Kutschke zur Seite. Der schlägt die Hand weg und wartet darauf, dass der Schiedsrichter reagiert. Sané bekommt Rot. So weit, so normal.

Eine Szene aus der ersten Liga: Man muss sie nicht mehr im Detail beschreiben, sie ist das Thema der Stunde. Der Mainzer José Rodríguez springt mit der Sohle auf Kniehöhe in den Augsburger Dominik Kohr hinein und bekommt Rot. Die offizielle Diagnose: Schweres Weichteiltrauma mit tiefer, offener und etwa 14 Zentimeter großen Wunde am Unterschenkel. Kohr wurde operiert, er fällt nun wochenlang aus - ein genauer Zeitraum ist schwer zu bestimmen.

Was haben diese beiden Fälle miteinander zu tun? Beide landeten vor dem DFB-Sportgericht, das nach jeder roten Karte entscheiden muss, wie lange ein Spieler gesperrt wird. In beiden Fällen verhängte es die gleiche Strafe: fünf Spiele Sperre. Und obwohl Rodríguez zusätzlich noch eine Strafe von 10 000 Euro bezahlen muss und die Sperre von Sané nach einem Einspruch von Hannover 96 noch reduziert werden könnte, erscheint das absurd.

Nicht, dass ein Spieler nach einer Tätlichkeit nicht so lange aus dem Verkehr gehört. Man kann von meist erwachsenen Menschen verlangen, dass sie ihrem Gegner nicht ins Gesicht fassen; und wenn doch, dass sie die Konsequenzen tragen.

Dass das Foul von Rodríguez an Kohr vom DFB-Sportgericht aber als genauso schlimm bewertet wird wie ein - pardon - lapidarer Griff an die Wange, ist kaum nachvollziehbar.

Rodríguez riskierte mit seinem Foul die Gesundheit seines Gegenspielers. Er schlägt - drastisch ausgedrückt - seine Aluminiumstollen im Sprinttempo in das Bein des Augsburgers. In der 93. Minute bei einer Zwei-Tore-Führung. Im schlimmsten Fall hätte Kohrs Karriere beendet sein können. Das sollte härter geahndet werden als jene erzieherische Maßnahme wegen mangelnder Selbstbeherrschung im Fall Sanés.

Die Möglichkeiten wären durchaus da. Die Rechtsverfahrensordnung des DFB sieht für "rohes Spiel" (unter diesen Fußballrechtsbegriff fällt ein solches Foul) Strafen von bis zu sechs Monaten vor: "Roh spielt, wer rücksichtslos im Kampf um den Ball den Gegner verletzt oder gefährdet." Das lag in Rodríguez' Fall durchaus vor.

Die Fünf-Spiele-Sperre hat sich allerdings in solchen Fällen als Strafmaß etabliert. Vergangene Saison wurde Johannes Geis von Schalke 04 für ein vergleichbares Foul an André Hahn eben so lang gesperrt, die längste Sperre für eine Grätsche kassierte der Hamburger Paolo Guerrero 2012, als er Stuttgarts Torhüter Sven Ullreich von hinten in die Beine sprang: Er bekam acht Spiele, aber nicht wegen der Schwere des Fouls, sondern weil er Wiederholungstäter war.

Die längsten Sperren kassierten übrigens Lewan Kobiaschwili (7,5 Monate) und Timo Konietzka (sechs Monate), weil sie den Schiedsrichter geschlagen haben. Aber es bleibt die Frage: Warum muss ein Profi für einen Schlag gegen den Schiedsrichter, der einen blauen Fleck nach sich zieht, 7,5 Monate zuschauen, während Rodríguez nach einem Brutalo-Tritt mit verheerenden Folgen mit vier Wochen davon kommt?

Da es kaum im Interesse sein kann, die Strafen für Schiedsrichter-Schläger zu reduzieren, bedarf es einer Anpassung der Strafen beim DFB für rohes Spiel. Vergleiche mit der real existierenden Justiz sind immer schwierig, aber um nochmal auf die Fälle Sané und Rodríguez zurückzukommen: Wer beim Oktoberfest jemanden ins Gesicht langt, kommt auch glimpflicher davon, als jemand, der einem anderen eine 14 Zentimeter große Fleischwunde zufügt.

Natürlich agiert Rodríguez aus dem Spiel heraus und natürlich kann man ihm glauben, wenn er sagt, es tue im leid. Aber dass er am 29. Oktober nach so einem Aussetzer wieder auf dem Platz stehen darf, ist schlicht ungerecht. André Hahn fiel vergangene Saison nach dem Fünf-Spiele-Sperre-Tritt von Johannes Geis übrigens 15 Partien lang aus.

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