Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf bei der EM:Thomas Müller bleibt ein Vorbild

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Löws Elf und ihr Angreifer verkörpern vieles, was man jungen Menschen beibringen will - auch wenn es nicht so gut läuft.

Kommentar von Thomas Hummel

Fußballer sind keine Diplomaten. Wäre Joachim Löw Außenminister, er hätte nach dem 0:2 im Halbfinale etwas weniger deutlich angemerkt, dass seine Mannschaft die bessere gewesen sei und hauptsächlich wegen Pech und blöder Umstände verloren habe. Im Umkehrschluss heißt das ja: Die Franzosen waren schlechter und hatten vor allem Glück.

Nach der Niederlage gegen den Gastgeber dieser Europameisterschaft waren die Einlassungen des Bundestrainers und einiger Spieler nicht dazu angetan, Vorurteile abzubauen. Die Deutschen stehen in der Welt unter dem Verdacht der Überheblichkeit. Sie glaubten, in allem die Nummer eins zu sein. Doch im Moment des Scheiterns, der Müdigkeit und des Ärgers würde man Sportler überfordern, von ihnen zu verlangen, sie müssten jedes Wort abwägen und auf das Image ihres Landes in der Welt hin prüfen.

Kommen die ganz großen Gefühle auf, dann sagen eben selbst mediengeschulte Fußballer, was sie denken. Wenigstens ein bisschen. Dennoch bleibt diese Nationalmannschaft weitgehend genau das, was man von dieser überhöhten Branche ständig verlangt: ein Vorbild. Wer heute selbst Kinder hat oder in einem Verein mit der Jugend arbeitet, der kann zu Recht auf sie verweisen. Sie verkörpert vieles, was man jungen Menschen im Sport beibringen will: Respekt vor dem Gegner gepaart mit dem festen Glauben an die eigenen Talente. Teamgeist, Moral, Wille. Dazu eine ständige Bereitschaft, neue Facetten zu lernen und sich bis zur Erschöpfung zu verausgaben. Zuletzt: Wenn es mal nicht so gut läuft, trotzdem niemals aufgeben.

Müller muss eine Art Mid-Karriere-Krise durchschreiten

In dem Sinne hat Thomas Müller seine Rolle als Idol durch diese missglückte Europameisterschaft keinesfalls beschädigt. Er war nun nicht mehr das strahlende Landei, das stets schlauer, schneller, gewiefter ist als die gegnerischen Abwehrspieler. Es lief einfach gar nichts nach Wunsch, es blieb bei null Toren. Was ihn aber nicht davon abhielt, wie ein Berserker zu schuften und für den Erfolg der Gruppe alles zu geben. Bisweilen hätte man sich gewünscht, er würde weniger rennen und sich stattdessen lieber wie gewohnt zwischen den Grashalmen unsichtbar machen, um plötzlich wie von Müllerhand aufzutauchen und den Ball reinzuschießen.

Doch die einzigartige Gabe des Raumdeuters hatte er irgendwo verloren. Trotz aller Anstrengung fand er sie nicht rechtzeitig wieder und muss nun mit 26 Jahren eine Art Mid-Karriere-Krise durchschreiten. Sollten sie ihn beim FC Bayern unterstützen, womit zu rechnen ist, dann weist vieles auf eine erfolgreiche Krisenbewältigung hin. Man ahnt bereits, dass vorne ein lebensfroher Bursche im Formtief versank, hinten aber ein lebensfroher Mann herauskommen wird. Probleme gehören zum Sport wie zum Leben dazu. Und wie sagte Müller nach seinem verschossenen Elfmeter gegen Italien? "Ich werde meine Technik überarbeiten und eventuell in ein, zwei Monaten gestärkt zurückkommen."

Irritierend war für die Spieler das Gefühl, die Besten gewesen zu sein, aber dennoch nicht zu gewinnen. Die Einschätzung war ja keinesfalls falsch. Sie unterschlug nur dreierlei: die eigene Schwäche im gegnerischen Strafraum, die Fehlerkette vor dem 0:2 und die herausragende Leistung von Antoine Griezmann. Bei späterer Betrachtung werden die Deutschen das womöglich zugeben, am Donnerstagabend waren sie dazu nicht fähig. Ihre Enttäuschung war zu frisch. Und Enttäuschte sind manchmal eben etwas undiplomatisch.

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