Süddeutsche Zeitung

Deutschlands Golfer:Die neue große Riege

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Unterschiedliche Karrierestarts, aber vielversprechende Leistungen: Auf der europäischen Tour tummeln sich so viele Deutsche wie seit Langem nicht. Bleibt die Frage, wann es für die großen Erfolge reicht.

Von Felix Haselsteiner

Man konnte fast den Überblick verlieren, bei all den Deutschen, die am Donnerstag in Eichenried unterwegs waren. "Welcher ist das?", war eine Frage, die gleich mehrmals zu hören war unter den Zuschauern, die schon am ersten Tag der BMW International Open in Scharen zugegen waren: Kein Wunder, wenn beim Heimturnier auch noch besonders viele heimische Athleten zu sehen sind. 15 Golfprofis und zwei Amateure aus Deutschland nehmen in diesem Jahr am Turnier in Eichenried teil - und man kann allein anhand dieser Zahl schon einmal ableiten, dass es im deutschen Golf gerade nicht allzu schlecht läuft.

"Ich sag's ehrlich: Ich freue mich darüber sehr", sagte Hurly Long am Donnerstag, als er danach gefragt wurde, wie es sich anfühle, derzeit der beste Deutsche auf der europäischen Tour zu sein. Long, 26, aktuell 30. in der Saisonrangliste, hat sich in diesem Jahr auf der europäischen Top-Ebene etabliert - was nicht immer leicht ist, wenn man schon seit Ewigkeiten als großes Talent gilt. 2017, im Alter von 22 Jahren, spielte Long eine Runde in 61 Schlägen in Pebble Beach, einem der prestigeträchtigsten Golfplätze der Welt, und wurde dort zu einer Berühmtheit, weil sämtliche Legenden des Spiels nicht besser spielen konnten als er; sein Platzrekord in Kalifornien hat bis heute Bestand.

Sich bereits in jungen Jahren mit den besten der Welt zu messen, hat aus sportlicher Sicht offensichtliche Vorteile

Long zählt zu einer Gruppe an deutschen Golfern, die in den vergangenen Jahren immer größer wurde: 2015 ging er nach der Schule in die USA, um dort in Texas Golf zu spielen. Sich bereits in jungen Jahren mit den Besten der Welt zu messen, hat aus sportlicher Sicht offensichtliche Vorteile, zudem bieten die US-Universitäten ein ziemliches Wohlfühlprogramm für ihre Studenten: Wer einmal drin ist, bekommt abgestimmte Lehr- und Sportpläne, hat Zugang zu den besten Übungsanlagen und muss sich um die Organisation der Turniere und der Lebensplanung nicht kümmern - der Fokus liegt allein auf dem Golfplatz. Neben Long sind auch Profis wie Thomas Rosenmüller aus Eichenried, der inzwischen auf der zweithöchsten Tour in den USA spielt, sehr früh den Schritt über den Atlantik gegangen und profitieren nun von den in jungen Jahren gesammelten Erfahrungen. Dasselbe gilt auch für Matti Schmid, der im vergangenen Jahr zum besten jungen Spieler der europäischen Tour gekürt wurde.

Nico von Dellingshausen wählte einen etwas anderen Weg. Aus Deutschland heraus ging es für ihn auf die Pro Golf Tour, eine kleine, europäische Qualifikationsserie, über die es Jahre vor ihm schon Martin Kaymer zu einer Weltkarriere gebracht hatte. "Ich bin ein Typ, der bei vielen Dingen ein bisschen mehr Zeit braucht", sagt Dellingshausen. Sukzessive spielte er sich aus der kleinen Golfwelt hoch in die große, ohne den Komfort einer Elite-Uni. An seinen ersten Siegerscheck über 400 Euro für einen 20. Platz bei einem Turnier in Ägypten erinnert er sich noch: "Ich hab mich erst gefreut, dann aber mal nachgerechnet und festgestellt, dass ich damit nicht mal meinen Flug bezahlen konnte."

Von der untersten Ebene arbeitete sich Dellingshausen in die europäische Eliteklasse. Auch wenn sich der Start unterschied, gibt es Parallelen: Trotz Uni-Ausbildung bewies sich auch Long noch einmal auf der kleinen Pro Golf Tour, bevor er den Schritt nach oben schaffte. Beiden ist mittlerweile ein Sieg zuzutrauen, den man sich in Deutschland seit längerem erhofft. "Die Jungs machen echt einen super Job", sagt Marcel Siem, der im Alter von 41 Jahren in einer anderen Phase seiner Karriere ist. Siems vier Turniersiege auf der europäischen Tour werden unter den deutschen Spielern nur geschlagen von Martin Kaymer, Alex Cejka und Bernhard Langer, der alten Riege, die den deutschen Golfsport lange Zeit alleine bespielen musste. "Früher war es immer nur Kaymer, Cejka, Langer, Siem. Heute haben wir fünf, sechs Leute, die gute Ergebnisse abliefern", sagt Siem: "Das, was der DGV da aktuell macht, scheint zu funktionieren."

Nicht alle wollen dauerhaft den lebensverändernden Schritt in die USA machen wie einst Langer

Der Golfverband hat es in den vergangenen Jahren geschafft, mehr Spitzenförderung in Deutschland zu etablieren, zusammen mit Standorten wie St. Leon-Rot, wo Privatinvestoren wie Dietmar Hopp viel Geld investierten, um jungen deutschen Spielerinnen und Spielern ähnliche Bedingungen zu verschaffen wie in den USA. "Diese Klubs machen Sportförderung in einer sehr ausgereiften Form", sagt Dellingshausen, der im Golfclub Hubbelrath in der Nähe von Düsseldorf Golf spielen gelernt hat.

Was der jungen Generation noch fehlt, ist der Schritt über das europäische Level hinaus. Kaymers Karriere auf der Tour in Europa verschaffte ihm Bekanntheit - erst mit seinen Siegen bei Major-Turnieren allerdings konnte er sich einen internationalen Status erspielen. Heute fordert er mit Blick auf seine Nachfolger in Deutschland Geduld: "Ich finde es wichtig, dass man den jungen Profis genug Zeit gibt", sagt Kaymer, der für die heutige Generation dieselbe Vorbildwirkung hatte wie Bernhard Langer mit seinen großen Siegen für ihn.

Die vier Majors - drei in den USA, eines in Großbritannien - werden in einer Golfwelt, die sich zwischen Touren in den USA, Europa und Saudi-Arabien gerade neu sortiert, einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Den jungen Deutschen ist das durchaus bewusst. Nicht alle wollen dauerhaft den lebensverändernden Schritt in die USA machen wie einst Langer, sondern mit einer Basis in Europa jedes Jahr die großen Events spielen: "Die PGA Tour ist eine tolle Sache", sagt Hurly Long: "Aber ich habe als Kind von vielen Dingen geträumt: Große Putts zu lochen, hier in Europa - und für Major-Siege."

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