Süddeutsche Zeitung

Debatte um Gelb-Rot für Huszti:Selbst der Schiedsrichter leidet unter seiner Entscheidung

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Kurioser Platzverweis für den Hannoveraner Szabolcs Huszti: Nach seinem spektakulären Siegtreffer in der Nachspielzeit gegen Werder Bremen erhält er für doppelt unerlaubten Jubel die gelb-rote Karte. Sogar der Schiedsrichter bedauert die Regeln, Hannover 96 reagiert sauer.

Nach dem Platzverweis für den ausgelassenen Jubel des Hannoveraners Szabolcs Huszti am Samstag im Nordderby gegen Werder Bremen (3:2) hat auch DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Regel angemeldet. "Ich empfinde die Bestrafung als unangemessen. Das steht in keinem Verhältnis zu einem Tritt oder einem anderen Foulspiel", sagte der 49-Jährige im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd.

Gleichzeitig betonte Wagner aber, dass Referee Deniz Aytekin bei der Entscheidung "keinen Handlungsspielraum" gehabt habe. "Das sind Regeln der FIFA. Uns Schiedsrichtern sind da die Hände gebunden. Wir sind nur diejenigen, die das Regelwerk umzusetzen haben", sagte Wagner. "Die Aktionen können nicht in Tateinheit behandelt werden. Szabolcs Huszti zieht sich das Trikot aus - dafür erhält er Gelb. Dann erklettert er den Zaun - dafür erhält er ebenfalls Gelb. Da ist nichts zu beanstanden." Aytekin selbst hatte nach der Partie erklärt, dass ihm die Entscheidung für die Gelb-Rote Karte nach Husztis Siegtreffer in der Nachspielzeit "leidgetan" habe.

Bei Hannover 96 hatten die Beteiligten erwartungsgemäß wenig Verständnis für die Hinausstellung ihres Torschützen: Kapitän Steven Cherundolo sprach von einer "beschissenen Regel", Nationaltorhüter Ron-Robert Zieler empfand die Entscheidung einfach als "lächerlich" und Trainer Mirko Slomka regte an, "diese Regel vielleicht mal zu überdenken".

In den Statuten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist der entsprechende Passus unter Regel 12 zu finden. "Zwar ist es einem Spieler erlaubt, seiner Freude nach einem Treffer Ausdruck zu verleihen, doch darf der Torjubel nicht übertrieben werden", heißt es dort. Ein Spieler werde verwarnt, "wenn er an einem Zaun hochklettert, um einen Treffer zu feiern" oder "wenn er sein Hemd auszieht oder es über seinen Kopf stülpt".

"Ich kannte die Regel nicht und wusste nicht, dass man dafür zweimal Gelb bekommen kann", sagte Huszti nach dem Sieg im Nordderby und schüttelte mit finsterer Miene den Kopf.

Von einer baldigen Änderung der Regel geht Wagner jedoch nicht aus. Zumal dies allein in den Händen des International Football Association Boards (IFAB) liegt. In einem anderen Fall ist der DFB bereits vor rund einem Jahr mit einer Eingabe an das Gremium herangetreten. "Wenn ein Spieler eine klare Torchance vereitelt und dadurch einen Strafstoß verursacht, ist zu überprüfen, ob der Spieler auch noch die Rote Karte erhalten muss. Seine Mannschaft wird dann doppelt bestraft und die Torchance ist durch den Strafstoß ja wieder hergestellt", sagte Wagner.

Die Eingabe liegt einer Arbeitsgruppe der IFAB vor, eine Entscheidung steht aber noch aus. Zuletzt war Nationalkeeper Ron-Robert Zieler von dieser Regel betroffen. Im Testspiel gegen Argentinien vor gut vier Wochen in Frankfurt am Main hatte er den heran stürmenden Jose Sosa im Strafraum gefoult und war von Schiedsrichter Jonas Eriksson (Schweden) per Roter Karte des Feldes verwiesen worden. Den anschließenden Elfmeter brachte Lionel Messi zwar nicht am eingewechselten Marc-Andre ter Stegen vorbei, in Überzahl gewannen die Südamerikaner aber am Ende mit 3:1.

Ob der DFB nun auch für Fälle wie den Jubel Husztis eine Eingabe zur Überprüfung der Regel in die Wege leiten wird, ließ Wagner offen. "Das wäre jetzt spekulativ. Vielleicht treten ja die Verein an uns heran und fragen, ob man da etwas machen kann. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die Szene keinen spielentscheidenden Charakter hatte", sagte der ehemalige Spitzen-Schiedsrichter. Aufgrund der Sperre fehlt Huszti Hannover 96 im Punktspiel am kommenden Sonntag bei 1899 Hoffenheim.

Am Samstag war das spektakuläre 3:2 des Ungarn nur der krachende Schlussakkord einer spektakulären Partie, die keinen Verlierer verdient hatte. "Was für ein Klassespiel! Es war alles drin, es war alles da", schwärmte Werder-Trainer Thomas Schaaf, auch die Analyse seines Kollegen Slomka fiel euphorisch aus: "Es war eine irre Partie und ein ziemliches Spektakel."

Mit dem besseren Ende für die Gastgeber. Huszti hatte bereits das Führungstor (6.) per Freistoß erzielt und das 2:0 von Leon Andreasen (10.) per Flanke vorbereitet. Hannover drohte aber nach den beiden Gegentoren durch Aaron Hunt per Handelfmeter (26.) und Kevin de Bruyne (74.) sogar die erste Heimniederlage seit April 2011. "Es war auf hohem Niveau sehr knapp, beide Teams können in in dieser Saison noch viel erreichen", meinte Hannover-Profi Jan Schlaudraff, Slomka sprach davon, "ein glücklicher Sieger" zu sein.

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