Süddeutsche Zeitung

Cristiano Ronaldo:"Das war nur der Anfang"

Lesezeit: 4 min

Portugals Angreifer schickt sich an, der prägende Spieler dieser Weltmeisterschaft zu werden.

Von Javier Cáceres, Sotschi

Die Nacht, in der "Ronaldo in der Geschichte der Weltmeisterschaften unsterblich wurde", wie die Zeitung Diário de Notícias schrieb, endete in einem Schrei, der in einer Verbalinjurie gipfelte. Und die getragen war von Ekstase.

"Das war nur der Anfang, verdammte Scheiße!", rief Cristiano Ronaldo, als er nach dem 3:3 gegen Spanien die Kabine des Fisht-Stadion von Sotschi betrat.

Dann ließ er den Ball durch die Kabine kreisen, den er nach alter Sitte überreicht bekommen hatte, um ihn von allen Kadermitgliedern unterschreiben zu lassen - als Andenken an den 51. Hattrick seiner Karriere, der auch der sechste mit der portugiesischen Nationalmannschaft gewesen war. Doch was ihn, der im Laufe seiner Karriere zu einem menschgewordenen Guinness-Buch-der-Rekorde geworden ist, unsterblich macht, war, dass er nun einer von vier Spielern ist, die bei vier WM-Turnieren trafen. Ronaldo ist zudem der erste Europäer, der in acht aufeinanderfolgenden Turnieren Tore erzielt hat: bei den Europameisterschaften von 2004 bis 2016 und bei den Weltmeisterschaften 2006 bis 2018.

Für Ronaldo war der Freitag aber nicht nur der Tag, an dem er seine Kandidatur präsentierte, die prägende Figur des Turniers zu werden. Sondern auch jener, an dem die Welt erfuhr, dass er seine Steueraffäre ausgeräumt hat. Nachdem er vor einem Jahr noch versichert hatte, ein reines Gewissen und niemals etwas Illegales getan zu haben, willigte der Stürmer von Real Madrid nun ein, fortan als vorbestraft zu gelten. Im Rahmen eines Deals, der in Spanien nicht unüblich ist, weil das Finanzamt ein größeres Interesse am Geld als an Gerichtsprozessen hat. Er ist zwar noch nicht von den Behörden unterzeichnet worden, weil die neue Regierung die leitenden Finanzbeamten austauschen will und diese ihren Segen geben sollen. Doch die Eckpunkte stehen.

Ronaldo akzeptierte eine zweijährige Haftstrafe, die er aber nicht antreten muss, weil Gefängnisstrafen von weniger als 24 Monaten in Spanien üblicherweise nicht vollzogen werden. Zudem soll er 18,9 Millionen Euro an den Fiskus zahlen, um Steuerschulden aus den Jahren 2011 bis 2014, die Zinsen sowie die fällige Buße, zu tilgen. Misslich ist das aus Sicht von Ronaldo schon, Geld ist Geld. Andererseits barg ein möglicher Prozess für ihn nicht nur die Chance auf einen Freispruch, sondern durchaus auch ein gewisses Risiko.

Es wäre ja durchaus spannend geworden, gerichtlich klären zu lassen, ob Ronaldo sich zwar am Rande, aber noch im Rahmen von Gesetzen bewegt hatte, die einst für die Schönen und Reichen Spaniens verabschiedet worden waren, um Millionen-Einnahmen im nichtspanischen Ausland zu verbuchen. Doch angesichts der Verschachtelung seiner Firmen war die Gefahr gegeben, dass seine Rechts- und Finanzberater doch eine Falltür übersehen hatten. Dass für ihn am Ende alles viel schlimmer ausgegangen wäre. Wie auch immer: Warum er darauf verzichtet, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen, wäre eine der Fragen gewesen, die ihm hätte gestellt werden können, als er im Pressesaal des Fisht-Stadion saß. Für den Portugiesen war dieser Termin eine Pflicht, weil er nach seinen drei Treffern natürlich zum "Man of The Match" gewählt worden war. Doch auf der Pressekonferenz waren keine Fragen von Journalisten zugelassen. Eine Medienoffizierin des Fußball-Weltverbandes Fifa erkundigte sich auf dem Podium nur nach seinem werten Befinden.

Ronaldos Geste sagt: "Gebt mir den Ball." Und damit sind seine Teamkameraden gut beraten.

Denn gegen die Spanier gelingt Ronaldo fast alles. Erst holt er gegen Nacho einen Elfmeter raus, den er höchstpersönlich verwandelt.

Danach sieht Spaniens Schlussmann David de Gea schlecht aus, als er einen Schuss von Ronaldo durch die Hände schlüpfen lässt.

Und dann setzt Ronaldo einen Freistoß zum Ausgleich in den Winkel, nachdem er selbst gefoult worden war.

Und so sagte Ronaldo, wichtig sei nicht er gewesen, sondern das, was Portugals Team geleistet habe. Das war von atemraubender Effizienz gekennzeichnet, von der Effizienz Ronaldos. Drei Schüsse gab er ab, dreimal landete der Ball im Tor. Das erste Mal nach vier Minuten, nachdem Ronaldo einen Elfmeter für die Portugiesen herausholt hatte. Am Strafraumeck stolperte er über das Bein von Rechtsverteidiger Nacho, der wie Ronaldo bei Real Madrid spielt und später sagen sollte: "Ronaldo hat eher mein Bein berührt als ich seins." Dann half Spaniens Torwart David De Gea mit einem Patzer nach: Einen Schuss von Ronaldo, den De Gea später als tückisch bezeichnen sollte, lenkte der Keeper von Manchester United so slapstickartig zum 1:2 ins eigene Netz (44.), dass es unmöglich war, nicht an die Fehler des deutschen Torwarts Loris Karius vom FC Liverpool im Champions-League-Finale von Kiew gegen Real zu denken. Und am Ende der Partie, als Spanien nach zwei Treffern von Diego Costa (24./55.) sowie einem Traumtor von Nacho (58.) 3:2 führte, schlug Ronaldo final zu. Er zog ein fragwürdiges Foul auf sich, wozu Spaniens Verteidiger Piqué, der als Übeltäter ausgemacht wurde, später sagte: "Wir wissen, dass Cristiano dazu neigt, leicht zu fallen." Dann zirkelte Ronaldo den Freistoß aus 20 Metern in den Winkel zum Endstand von 3:3 in einer Partie, die wegen ihrer spektakulären Wendungen eher Halbfinal- als Vorrundencharakter hatte.

"Wir sind sehr glücklich, weil wir noch ausgeglichen haben. Aber es war ein gerechtes Resultat", behauptete Ronaldo. Er verdiente sich sogar ein Lob von Spaniens Trainer Fernando Hierro: "Er ist ein Crack. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu dem Jungen, und er ist ein Glück für jedes Team, das auf ihn zählen kann. Aber ich würde ihn gegen keinen meiner Jungs eintauschen."

Das ist im Lichte des Luxuskaders der Spanier verständlich. Andererseits: Wer wollte diesen Rekordjäger nicht in seinen Reihen haben? Es gibt im Grunde nur noch zwei Rekorde, denen er nachjagt: so viele Tore bei einer WM zu schießen wie sein legendärer Landsmann Eusébio (neun Treffer bei der WM 1966 in England). Oder den Titel des WM-Methusalems an sich zu reißen, den der Kameruner Roger Milla innehat: Der er spielte bei der WM 1994 in den USA noch mit 42 Jahren und 39 Tagen. Ronaldo ist 33. Aber die WM 2026 ist nicht mehr so weit weg.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4019351
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.06.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.