Süddeutsche Zeitung

Corona bei der Handball-EM:Noch nicht mal Masken im Hotel

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Die Infektion von Julius Kühn in Bratislava schwächt die deutsche Mannschaft - und die Zustände im zweiten Veranstaltungsland Ungarn lassen Schlimmes befürchten.

Von Ralf Tögel, Bratislava/München

Axel Kromer hatte vor dem Abflug der deutschen Handball-Nationalmannschaft zur Europameisterschaft in der Slowakei und Ungarn erklärt, er sei ganz froh, dass sein Team den Vorrunden-Ort Bratislava erwischt habe. Der Sportvorstand des Deutschen Handballbundes (DHB) spielte im Abschluss-Trainingslager in Großwallstadt damit darauf an, dass in der Slowakei nur 25 Prozent der Hallenauslastung erlaubt sind - anders als beim Mitausrichter Ungarn, der volle Arenen gestattet. Auch konnte Kromer von einem reibungsfreien Ablauf der Vorbereitung der DHB-Auswahl berichten, die sich strikt an ein selbst verordnetes Hygienekonzept mit weitreichenden Maßnahmen gehalten habe und dank großer Konsequenz und dem nötigen Glück, wie aus dem deutschen Lager zu hören war, von Ungemach verschont geblieben war.

Bis zum vergangenen Samstagabend, denn da ploppte die Meldung von der Corona-Infektion des Rückraumspielers Julius Kühn auf. Ausgerechnet Kühn, einer der Erfahrenen im stark verjüngten Kader und einer der auffälligsten Akteure beim 33:29-Auftaktsieg Sieg gegen Belarus. Der vom Ausrichter obligatorisch abgenommene PCR-Test war beim 28-Jährige Rückraumspieler positiv ausgefallen, Kühn verabschiedete sich in die Isolation. Wie sämtliche Teamkollegen auch, die sich umgehend auf ihre Zimmer begaben und sich am Sonntagvormittag auf DHB-Initiative einem zusätzlichen PCR-Tests unterzogen. Alle Schnelltests waren vorher negativ ausgefallen.

Die deutsche Delegation hat sich akribisch an alle Hygienemaßnahmen gehalten und zusätzliche Tests durchgeführt

Damit war klar, dass auch noch so akribisch durchgeführte Hygienemaßnahmen keine Sicherheit bedeuten. Denn die deutsche Delegation hatte diese übererfüllt, zusätzliche Tests durchgeführt, im Teamhotel in Bratislava eigene Etagen geblockt, einen eigenen Koch mitgenommen und peinlich genau die Vorgaben der Europäischen Handballföderation (EHF) eingehalten. "Wir kommen weder bei den Mahlzeiten, bei Besprechungen noch beim Wohnen mit irgendjemand in Kontakt", sagt Sportvorstand Kromer. Darüber hinaus verzichten Spieler wie Offizielle auf jegliche Freizeitaktivität. Den Kontakt zu anderen Mannschaften freilich könne man bei einer EM halt nicht ausschließen.

Trainer Gislason hatte sich positiv über die Situation am Spielort geäußert, er verglich die Situation mit den peniblen Hygieneblasen bei der WM 2021 in Ägypten und beim Olympia-Turnier in Tokio. Gleichwohl ist eine solche Abschottung nicht vorgesehen, die aktuelle EM ist laut EHF-Hygieneprotokoll eine 2G-Veranstaltung, für geimpfte oder genesene Teilnehmer.

Vor allem die Situation in Ungarn verursacht großes Unbehagen, wo in vollen Hallen ohne Abstandsregeln gespielt wird. Frankreichs Routinier Nikola Karabatic hatte sich zudem über die Situation im Teamhotel beklagt, wo sich die Spieler unter normalen Gästen, die nicht mal Masken tragen würden, bewegen müssten. Serbiens spanischer Trainer Antoni Gerona kritisierte auf Twitter eine "chaotische Organisation", Islands Nationalcoach Gudmundur Gudmundsson monierte ein viel zu laxes Sicherheitskonzept. Die von der EHF zugesicherten abgeschirmten Bereiche bei Mahlzeiten und Besprechungen seien schlichtweg nicht vorhanden.

Bundestrainer Gislason hat Hendrik Wagner vom Zweitligisten Eulen Ludwigshafen nachnominiert

Schon im Vorfeld des Turniers waren viele Mannschaften von Corona-Fällen durchgeschüttelt worden, aktuell sind neun Nationen dezimiert. Der deutsche Gruppengegner Polen etwa, der im selben Hotel logiert, musste ohne fünf infizierte Stammspieler ins Turnier starten. Die Kroaten verloren ohne ihre beiden Spielmacher und Topakteure Luka Cindric und Domagoj Duvnjak ihren Auftakt gegen Frankreich. Und es ist davon auszugehen, dass es weitere Infektionen geben wird. Angesichts dieser Gefahr hatte die EHF schon vor Turnierbeginn die Quarantänezeit für infizierte Spieler von zwölf auf fünf Tage verkürzt; so könnte sich auch Julius Kühn, der bereits geboostert und symptomfrei ist, mit zwei negativen PCR-Befunden freitesten.

Er könnte allerdings frühestens zur Hauptrunde ins Turnier zurückkehren. Bis dahin hat Trainer Gislason Hendrik Wagner vom Zweitligisten Eulen Ludwigshafen nachnominiert. Der 24-Jährige hat die Vorbereitung absolviert und befindet sich bereits beim Team, wurde aber für die Partie gegen Österreich noch nicht nominiert.

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