Süddeutsche Zeitung

Copa América:Brasilien rumpelt

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Von Javier Cáceres, Rio de Janeiro

Am Ende konnten sich der Torwart Allison Becker und der Stürmer Gabriel Jesús nicht einig werden. Sie standen freudig Aug' in Aug' und deuteten mit dem Finger aufeinander. Du warst es!, schien der eine zu sagen; nein, Du!, der andere zu antworten. Dann fielen sie einander in die Arme, aus Freude und Erleichterung darüber, dass sie mit der brasilianischen Nationalelf als erster Halbfinalist der Copa América feststehen. Durch einen 4:3-Sieg nach Elfmeterschießen gegen Paraguay, bei dem sie Alpha und Omega waren, Anfang und Ende. Allison vom FC Liverpool, weil er den ersten Elfmeter gehalten hatte. Stürmer Gabriel Jesús von Manchester City, weil er den letzten brasilianischen Elfmeter verwandelt hatte. Der Gegner der Brasilianer wird am Freitag in der Partie zwischen Argentinien und Venezuela ermittelt.

Die Erleichterung der Brasilianer war nachvollziehbar. Die Brasilianer waren zwar über weite Strecken der 90 Minuten plus Nachspielzeit heillos überlegen und auch lange in Überzahl gewesen, weil Paraguays Verteidiger Fabián Balbuena nach Videoschiedsrichter-Intervention die Rote Karte gesehen hatte. Nach Ansicht der TV-Bilder nahm der Schiedsrichter den Strafstoß zurück und verlegte den Tatort außerhalb des Strafraums; dafür wurde Balbuena wegen seiner "Notbremse" des Feldes verwiesen.

Doch sie blieben torlos - und mussten am Ende der regulären Spielzeit an den Kreidepunkt; anders als bei Welt- oder Europameisterschaften geht es bei der Copa América ohne Verlängerung zum Elfmeterschießen. Unter den Augen von Neymar, der in der Arena von Gremio Porto Alegre als Fan auf der Tribüne neben Casemiro saß; der Mittelfeldspieler von Real Madrid war am Freitag gelbgesperrt.

"Ich fühlte mich sicher"

Torwart Allison hielt den ersten paraguayischen Strafstoß von Gustavo Gómez. Danach verwandelten alle Schützen sicher, bis der frühere Hoffenheimer und heutige Liverpooler Roberto Firmino den Ball neben das Tor setzte. Firminos Glück: der Paraguayer Derlis González tat es ihm nach und jagte den Ball ebenfalls am linken Pfosten vorbei. Danach traf ausgerechnet Gabriel Jesús, der im Turnier bislang torlos geblieben war und beim Kantersieg gegen Peru in der Gruppenphase einen Strafstoß verschossen hatte, aber unbedingt antreten wollte, "ich fühlte mich sicher". Zum Glück für Brasiliens Nationaltrainer Tite. Durch seinen Treffer hat Brasilien nach zuletzt zwei Niederlagen nach Elfmeterschießen gegen Paraguay (2011, 2015) eine dritte Pleite bei einer Südamerikameisterschaft verhindert. "Heute hat der gewonnen, der es am meisten gewollt hat", behauptete Brasiliens Kapitän Dani Alves.

Tatsächlich hatten die Paraguayer von Beginn an klargesellt, dass sie nicht mitspielen, sondern den Ball den Brasilianern überlassen wollten. Auf einem katastrophalen Platz rumpelten sich die Brasilianer in der ersten Halbzeit gehörig einen zurecht; es herrschte ein faszinierend großer Mangel an Tempo und Ideen. Das lag einerseits an den personellen Umstellungen, Nationaltrainer Tite musste nicht nur auf Casemiro, sondern auch auf Richarlison verzichten (Mumps). Sondern andererseits auch an der guten Defensivorganisation der Paraguayer, die sich in der gesamten Partie mit nur einer wirklich guten Chance begnügten. Brasiliens Keeper Allison vereitelte sie aber in der ersten Halbzeit, mit einer glänzenden Parade gegen den paraguayischen Stürners Derlis González.

Nach der Pause (und dem Platzverweis gegen Balbuena) wurde die Partie bei 75 Ballbesitz für die Brasilianer zum sprichwörtlichen Spiel auf ein Tor. Die eingewechselte Flügelspieler Willian (FC Chelsea) traf mit einem schönen Schuss vom Sechzehner nur den Pfosten; zuvor war Gabriel Jesús aus kurzer Distanz gescheitert.

Als es dann zum Elfmeterschießen kam, waren die Brasilianer vorbereitet. Man habe vor der Partie nicht nur Penalties geübt, sondern auch den Torwart der Paraguayer eingehend studiert. Mit Erfolg. "Diese Gruppe hat bewiesen, dass sie auf jede Situation vorbereitet ist", sagte Stürmer Everton, der auf Linksaußen immer wieder für Gefahr sorgte. Nun wird die Seleção zeigen müssen, dass sie auch bereit ist, ins Finale im Marcanã-Stadion einzuziehen. Dort wird der Sieger aus den Partien Chile gegen Kolumbien (Freitag) sowie Uruguay gegen Peru (Samstag) warten.

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