Süddeutsche Zeitung

Confed Cup 2017:Wie mit einem Eishockeyschläger in der Hand

Lesezeit: 3 min

Von Martin Schneider, Sotschi

Die beiden Akteure des Spiels waren leicht herauszufinden. Einer wurde von Joshua Kimmich benannt. "Leon war für mich heute bester Spieler auf dem Platz. Das erste Tor leitet er ein, beim zweiten holt er den Elfer raus, das dritte macht er selber."

Wenn man in der Mannschaftssportart Fußball in diesen Kategorien denkt, dann adelte da der zweitbeste Spieler den besten. Dass Leon Goretzka auch im Zusammenspiel mit Kimmich eine hervorragende erste Partie spielte, daran zweifelte nur die Fifa, die nicht den Schalker, sondern den auch-gut-aber-nicht-überragend spielenden Julian Draxler zum "Man of the Match" kürte.

Der zweite Spieler des Abends musste sich selbst benennen. Bernd Leno stand als einziger Deutscher ziemlich bedröppelt in der riesigen Interview-Zone des Olympiastadions und versuchte zu erklären, wie ihm das passieren konnte. Zwei Gegentore hat Deutschland gegen Australien kassiert, bei beiden sah Leno unweit des Bolschoi-Eispalastes ein bisschen aus wie ein Eishockey-Torwart. Beim 1:1 von Thomas Rogic reagierte er, als würde ihn eine Schutzmontur behindern. Beim 2:3 durch Tomi Juric hielt er den Ball nicht fest, als hätte er noch einen Stock in der anderen Hand. Dass Juric vor dem Tor wohl den Ball mit dem Arm berührte, reichte als Ausrede nicht aus.

Leno selbst bewertete die Szenen unterschiedlich. Das zweite Tor, das sei ein klarer Fehler gewesen. "Beim ersten sah ich auch ein bisschen unglücklich aus", gab er dann zu. "Aber das war ein bisschen schwieriger, weil der Schuss erst ins andere Eck kam. Und dann geht das auch alles sehr, sehr schnell. Sieht unglücklich aus, aber einen Torwartfehler würde ich da nicht sehen", sagte Leno sichtbar unglücklich. Beim ersten Tor schoss Rogic erst gegen den Rücken von Shkodran Mustafi - der Schuss wäre weit am Tor vorbeigegangen. Von Mustafi prallte der Ball aber genau auf Rogics Fuß zurück, der dann in die andere Ecke schoss. Leno reagierte zu langsam und ließ den Ball unter sich durchrutschen.

Bei Neuer gelten andere Maßstäbe

Auch Löw verteidigte seinen Torwart in der Situation so gut es ging. "Der erste Schuss aus 16 Metern war nicht leicht zu halten, weil er mit Vollspann abgegeben wurde", sagte der Bundestrainer und wusste wahrscheinlich selbst, dass Leno, wäre er zum Beispiel Torwart vom FC Augsburg, den Ball nicht zwingend halten muss. Aber als Nationaltorwart mit Manuel Neuer als Referenz sollten eigentlich andere Maßstäbe gelten.

"Den zweiten hätte er festhalten können", sagte Löw noch, um sofort zu ergänzen. "Aber er ist ein sehr guter Torwart, im Training hat er einen sehr guten Eindruck gemacht. Er hat mal einen Fehler gemacht, das ist für mich kein Problem."

Trotzdem ist der Trend nicht zu leugnen, dass Bernd Leno im vergangenen Jahr ziemlich viele Meter auf seinen direkten Konkurrenten Marc-André ter Stegen im Rennen um das Erbe von Manuel Neuer verloren hat. Ter Stegen ist nach einigen Schwierigkeiten Stammtorwart beim FC Barcelona, Leno spielt eine unglückliche Saison bei Bayer Leverkusen. Daran ist zwar hauptsächlich Bayer Leverkusen und nicht Bernd Leno schuld, aber um den Barcelona-Status von ter Stegen zu kompensieren, hätte Leno häufiger herausragen müssen. Eine solide Saison mit seinen unzweifelhaft vorhandenen Torwart-Talenten reicht da nicht. Zumal er sich nächste Saison nicht in der Champions League beweisen kann - sollte er bei Leverkusen bleiben.

In Europas Torhüter-Markt ist ja Bewegung gekommen, seit der 18-jährige Gianluigi Donnarumma angekündigt hat, seinen Vertrag beim AC Mailand nicht verlängern zu wollen. Real Madrid gilt als interessiert. Und eingedenk der Tatsache, dass Gianluigi Buffon bei Juventus Turin den Alterungsprozess nicht so ewig bekämpfen kann, wie es zum Beispiel DFB-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt tut, werden im italienischen Fußball bald oder sehr bald sogar zwei sehr attraktive Tore zum Hüten frei.

"Ich werde mich weiter anbieten"

Als Torhüter des AC Mailand oder von Juventus Turin könnte Leno auch besser mit Kevin Trapp konkurrieren. Der ist angestellt bei Paris Saint-Germain und beim Confed Cup die Nummer eins - er hat in Abwesenheit von Manuel Neuer dessen Rückennummer ausgeliehen. In der nicht veröffentlichten Torhüter-Rangliste war er bisher immer eher die Nummer vier, aber das muss ja nicht so bleiben.

Vor Jahren war Leno noch mit ter Stegen auf Augenhöhe. Ihr Verhältnis war so von Konkurrenz geprägt, dass manche sich an Oli Kahn und Jens Lehmann erinnert fühlten. Nun, nach diesem vermaledeiten Auftaktspiel beim Confed Cup, bei dem Leno vom Bundestrainer ausdrücklich das Vertrauen bekam, scheint ter Stegen ent- und Trapp herangerückt zu sein. Ob das nun ein Rückschritt im Kampf um den WM-Platz sei, wurde Leno noch gefragt. "Nein, würde ich nicht sagen. Klar, dass man auch mal ein schlechteres Spiel macht. Das war heute so. Aber sonst habe ich meine Leistung gebracht und werde mich weiter anbieten", sagte er und sah wirklich nicht glücklich dabei aus.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3552272
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.