Süddeutsche Zeitung

Basketballer Chris Paul und die Phoenix Suns:Jetzt aber!

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Wieder mal hat Chris Paul die Chance, Meister zu werden, wieder könnte er scheitern - diesmal wegen der Verletzung seines kongenialen Teamkollegen. Über einen, der den Titel jagt und meist nichts dafür kann, dass es nicht klappt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Und da war er dann, dieser Moment, in dem Chris Paul diese Partie in die Hand nahm - im übertragenen Sinne wie wortwörtlich. Bei jedem Angriff seiner Phoenix Suns bekam er den Ball von den Mistspielern fast schon ehrfürchtig überreicht, und es passierte, was bei sämtlichen Legenden in der Geschichte der Sportart Basketball passiert: Man weiß ganz genau, was sie nun tun werden, man hat es ja schon häufig gesehen oder als Gegenspieler selbst erlebt - doch man kann es nicht verhindern.

Und das geht so: Paul, 36, wartet auf den Block eines Mitspielers, er dribbelt um ihn herum zur Freiwurflinie, und dann trifft er eine Entscheidung. Er wirft entweder selbst oder er legt ab auf einen Kollegen, unter dem Korb oder jenseits der Drei-Punkte-Linie. Es ist wirklich so simpel, wie es sich anhört, doch ist Paul zu clever bei Entscheidungen, zu präzise bei Pässen und Würfen. Er riss diese Partie gegen die New Orleans Pelicans an sich, die Suns kamen nach drei seiner Zuspiele im Schlussviertel bis auf fünf Punkte heran - aber dann gab Paul alles wieder ab: Er leistete sich drei Ballverluste und ein unsportliches Foul; die Pelicans zogen davon, gewannen 118:103 und glichen in der Best-of-seven-Serie zum 2:2 aus.

Die komplette Basketballwelt rätselt, ob es wirklich möglich ist, dass der haushohe Titelfavorit gleich in der ersten Runde scheitert und dieser rote Faden, der die Karriere von Paul prägt, verlängert wird: Er ist einer der besten Akteure der NBA-Geschichte, aber er gewinnt keinen Titel - und es hat nur selten mit ihm zu tun. Diesmal ist es eine Verletzung, die Pauls Weg ins gelobte Land erschwert, Devin Booker dürfte den Rest der ersten Runde wegen einer Oberschenkelverletzung verpassen. Es ist wieder was, dass er nicht kontrollieren kann, und man muss kein Psychologe sein, um zu verstehen, was das mit einem anstellt, der Dinge gerne kontrolliert und selbst in die Hand nimmt.

Einmal wäre Chris Paul fast zu den Lakers gewechselt - doch der NBA-Boss intervenierte

Die Karriere im Schnelldurchlauf: Die New Orleans Hornets (2005 - 11) waren mit ihm ganz einfach zu schlecht. Es folgte der geplatzte Wechsel zu den Los Angeles Lakers wegen, Achtung: eines Veto des damaligen NBA-Chefs, dass die Einigung zwischen den Vereinen ungerecht sei. Auf gut Deutsch: Die Lakers wären zu gut gewesen. Das ist, als würde die Fifa einen Transfer von Neymar zum FC Bayern untersagen, weil dann dessen Titelchancen zu hoch wären.

Nach L.A. kam Paul trotzdem, die Clippers erwuchsen dank ihm zum Titelkandidaten, Paul war der Dirigent eines Spektakel-Orchesters; unvergessen der Moment in der Kabine nach einem Playoff-Spiel, bei dem Center DeAndre Jordan tatsächlich mal einige Freiwürfe getroffen hatte. Paul brüllte Jordan diese Statistik zu und äußerte eine Lüge, für die einen normalerweise der Blitz erschlägt: "Du Freiwurf-Maschine." Kurz darauf schied man aus, ziemlich kläglich, weil Jordan de facto eine Freiwurf-Fehlmaschine war, und die korrekte Frage wäre gewesen: Sind Akteure wie Jordan oder Blake Griffin nicht doch überschätzt? Die Frage war aber: Ist Paul zu streng mit diesen Leuten, die gestreichelt werden wollen?

2017 kam Paul zu den Houston Rockets: Halbfinal-Teilnahme, Verletzung während der fünften Partie (es stand 2:2), wieder das Aus. Über Oklahoma City kam er 2020 zu den Suns, trotz Covid-Sperre während der Playoffs führte er das Team in die Finalserie. Phoenix führte 2:0, dann verletzte sich erst Booker am Oberschenkel und danach Paul am Handgelenk. Beide spielten weiter, Phoenix verlor aber 2:4; Paul wurde der erste Spieler der NBA-Geschichte, der vier Playoff-Serien nach 2:0-Führung verlor. Ja, so tragisch ist das alles mittlerweile. Es kam immer was dazwischen.

"Ich habe Frieden damit geschlossen. Vor ein paar Jahren hätte es mir bei dieser Frage, noch während sie gestellt wird, den Magen umgedreht", sagte er kürzlich auf die Bitte zu erklären, warum er in 17 Profijahren noch keinen Titel gewonnen hat - und sich die Tür nun langsam schließe: "Ich werde mir natürlich den Arsch aufreißen dafür, dass wir den Titel holen."

Häufig hieß es, Paul habe nicht die geeigneten Mitspieler gehabt; wenn er sie doch hatte, hieß es, dass er sie nicht führen könne, weil er zu verbissen sei, zu viel erwarte. Mit Booker war das anders, weil der die Mentor-Schützling-Beziehung wollte - weil Paul aufgrund seiner Übersicht andere glänzen lässt, solange die sich, man kann es nicht anders sagen: den Hintern aufreißen. "Wir müssen das Ding irgendwie zusammenpuzzeln", sagte Paul. Er weiß, dass er nach einem Erfolg gegen die Pelicans das womöglich entscheidende Puzzleteil für den Titel (Booker) zurückbekommt. Er weiß aber auch: Er muss nun alle Partien in die Hand nehmen.

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