Süddeutsche Zeitung

Chicago Fire:Abruptes Ende für Schweinsteiger

Lesezeit: 2 min

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Eines vorneweg: Bastian Schweinsteiger hat sehr viel richtig gemacht in den sechs Monaten, die er für den Fußballklub Chicago Fire in der nordamerikanischen Profiliga MLS gespielt hat. Er hat gerade zu Beginn der Saison im Frühling bewiesen, dass er noch immer über viel Gefühl in seinen Füßen verfügt, bei den vielen Marketing-Terminen lächelte er geduldig, was derart charismatisch sonst nur der Schauspieler Dwayne "The Rock" Johnson hinbekommt. Schweinsteiger sagte aber auch deutlich, was er von der fußballerischen Qualität dieser Liga hält, die sich mit europäischem Topniveau vergleichen möchte. Angesichts des Scheiterns der US-Auswahl in der WM-Qualifikation werden Schweinsteigers Worte nun als dringend notwendige, realistische Einschätzung gewertet: "Der Unterschied ist schon gewaltig".

Sportlich ist Schweinsteiger kaum etwas vorzuwerfen. Er hat eine Mannschaft, welche die beiden vorangegangenen Jahre mit der jeweils schlechtesten Bilanz der Liga beendete, auf den dritten Platz und damit in die K.-o.-Runde geführt. Am Ende der Hauptrunde fehlte er wegen einer Oberschenkelverletzung, bei seiner Einwechslung während der Playoff-Partie gegen die New York Bulls stand es bereits 0:2 - Chicago verlor mit dem angeschlagenen Schweinsteiger 0:4. "Wir sollten nicht vergessen, wo wir hergekommen sind", sagte er danach: "Es ist wichtig, dass jeder bei aller Enttäuschung versteht, dass wir in dieser Saison mehr erreicht haben, als uns die meisten zugetraut haben".

Fans bejubelten jede Ballannahme und jedes Zuspiel

Chicago Fire und Bastian Schweinsteiger sind eine interessante Symbiose eingegangen. Die Anwesenheit des deutschen WM-Helden hat diese Liga, deren Teams gerade in Deutschland gerne mal Orlando Hotzenplotz geschimpft werden, veredelt und verbessert. Sie haben Schweinsteiger dafür fürstlich entlohnt (Saisongehalt: 4,5 Millionen Dollar) und ihm ordentlich gehuldigt: Im Stadion in Chicago hingen Plakate mit der Aufschrift "Fußballgott", die Fans bejubelten jede Ballannahme und jedes Zuspiel, eine Blaskapelle auf der Tribüne intonierte tatsächlich "Du Hast" von Rammstein.

Es war ein gelungenes Experiment mit abruptem Ende, Schweinsteigers Vertrag endet mit Saisonende - also jetzt. Er bewies noch in der Umkleidekabine, dass er mit seinen 33 Jahren flink und reaktionsschnell genug ist, um kniffligen Fragen geschickt auszuweichen oder sie mit all seiner Erfahrung zu parieren. Natürlich wollten die Reporter wissen, wie es denn nun weitergehe. Schweinsteiger begann seine Antwort so: "Wir reden gerade miteinander, dann werden wir sehen". Anschließend sprach er eine Minute lang über die Erfolge der aktuellen Spielzeit, danach sagte er noch einmal: "Lasst uns abwarten".

Schweinsteiger könnte ein Kurzzeit-Engagement in Europa eingehen, wie es David Beckham während seiner MLS-Zeit beim AC Mailand getan hat. Er könnte aber auch seine Knochen und Muskeln schonen bis zur nächsten Saison in fünf Monaten. Es hatte vor seinem Wechsel in die USA geheißen, dass er und seine Frau Ana Ivanovic auch gerne in Los Angeles oder New York wohnen würden - in den dortigen Klubs hatte es zum Zeitpunkt der Verhandlungen aber keine Planstelle für Besserverdiener gegeben. Das ändert sich, an der Westküste wird es mit dem Los Angeles Football Club sogar ein neues Team geben.

Das Experiment in Chicago ist nun erst einmal beendet. "Von zehn Schritten, die zum Gewinn der Meisterschaft nötig sind, haben wir in dieser Saison sieben gemacht - aber die nächsten drei sind die schwierigsten", sagt Schweinsteiger: "Vielleicht brauchen wir noch ein, zwei Puzzleteile. Wir müssen das, was Toronto geschafft hat, auf unsere Art erreichen". Toronto war in der vergangenen Saison Finalteilnehmer und ist nun dank der besten Bilanz Titelfavorit in den Playoffs. Als Schweinsteiger das sagte und lächelte, da war zu sehen, dass er die Schritte acht bis zehn gerne mit Chicago Fire gehen würde. Man wird sehen.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2017
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