Süddeutsche Zeitung

Champions League:Herz des Kriegers bringt FC Bayern weiter

Lesezeit: 4 min

Von Benedikt Warmbrunn, Lissabon

Arturo Vidal legte die Hände aneinander, linker Handballen am rechten Handballen, die Finger so gekrümmt, dass sich die Nägel beider Hände berührten, dazwischen war ein großer Luftraum, er bildete: ein Herz. Dann rannte Vidal los, er trug das Herz über den Rasen, und alle liefen ihm hinterher, ihm und diesem Herzen, das sie gerade ins Halbfinale der Champions League geführt hatte.

Wieder also Arturo Vidal. Der, über den sie sagen, dass er das Herz eines Kriegers habe. Über den sie sagen, dass er das Herz eines Kämpfers habe. Über den sie bald auch sagen werden, dass er das Herz eines Champions hat?

2:2 (1:1) endete das Rückspiel im Viertelfinale des FC Bayern am Mittwochabend bei Benfica Lissabon, nach dem 1:0 in München reichte das der Mannschaft für das Weiterkommen - zum fünften Mal in Serie steht sie nun im Halbfinale. "Es tut mir leid für die Leute - aber wir sind da", sagte Pep Guardiola, der Trainer des FC Bayern. Wie schon im Hinspiel war es Vidal, der das wichtigste Tor für den FC Bayern erzielte. Und wie er es erzielte, das war dann tatsächlich wieder ganz im Stile eines Kriegers und Kämpfers.

Vidal überzeugt mit Unvernunft

Mit einem Schuss, den sich nur wenige zutrauen und der noch wenigeren gelingt, so selbstbewusst muss der Schütze sein. Philipp Lahm flankte von der rechten Seite, Benfica-Torhüter Ederson wehrte den Ball mit einer Faust ab, dieser landete an der Strafraumgrenze. Vernünftig wäre es nun, den Ball erst einmal anzunehmen, so unkontrolliert flatterte er.

Vernünftig, das ist aber nicht unbedingt der Stil von Vidal. Er schoss direkt, ein Drop-Kick, er wuchtete den Ball ins Tor, der Ausgleich, die Vorentscheidung. Da waren nicht einmal 38 Minuten gespielt.

Dass es Vidal war, der Krieger und Kämpfer, der den FC Bayern ins Halbfinale schoss, das fasst die Geschichte dieser beiden Partien dann schon treffend zusammen. Die Mannschaft erreichte die Runde der letzten vier nicht glanzvoll, sie mühte sich zwei Spiele lang, viel fiel ihr nicht ein, es waren zähe und lange Minuten. Es waren also genau die Minuten, die Vidal braucht für sein körperliches, rustikales, leidenschaftliches Spiel.

"Das sind die Spiele, auf die ich Lust habe", sagte Vidal. "Er ist jetzt richtig angekommen", lobte Matthias Sammer, der Sportvorstand, "man kann sich auf ihn verlassen."

Pep Guardiola, der Trainer des FC Bayern, verzichtete erneut auf Arjen Robben - der Niederländer, betonte Sammer vor dem Anpfiff, fehle nicht aufgrund eines Sehnenausrisses an den Adduktoren, wie es zuletzt berichtet worden war - er fehle lediglich aufgrund von Adduktorenproblemen. Sagte Sammer. Außerdem verzichtete Guardiola auf Stürmer Robert Lewandowski. Der Trainer verstärkte dadurch sein Mittelfeld, er wollte es verdichten, um die hoch und dicht verteidigenden Gastgeber weiter nach hinten zu schieben, weg vom eigenen Tor. Doch zunächst hatte diese taktische Maßnahme nur den Effekt, dass sich all die Münchner Mittelfeldspieler gegenseitig den Weg zum gegnerischen Tor versperrten.

Der FC Bayern hatte mehr Ballbesitz, doch wirklich wirkungsvoll wurde dieser nur, wenn einer all die Mittelfeldspieler mit einem weiten Ball überwand; Xabi Alonso probierte das immer wieder. So leitete er unter anderem die erste Chance der Gäste ein, Lahm flankte anschließend, und Thomas Müller verfehlte das Tor mit einem Drehschuss (19.).

Benfica, das ohne den gesperrten Jonas spielte, näherte sich dem Tor zunächst nur dezent, dann aber flankte Eliseu aus dem Halbfeld, Manuel Neuer irrte im Fünfmeterraum herum, Raúl Jiménez schlich sich zwischen David Alaba und Javier Martínez hindurch (27.). Kopfball ins leere Tor, die Führung, in der Gesamtrechnung: der Ausgleich. "Natürlich hatten wir uns das nicht so vorgestellt, dass wir 1:0 in Rückstand geraten. Aber wir wussten, dass die Welt ganz anders aussieht, wenn wir treffen", sagte Müller. Nur drei Minuten später hätte Jiménez sogar erhöhen können, nachdem Alonso und Joshua Kimmich am Ball vorbeigegrätscht hatten, war der Mexikaner wohl selbst überrascht. Er traf nur Neuer (30.). Acht Minuten später flankte Lahm, Ederson faustete den Ball in die Mitte, und Vidal traute sich einen Schuss zu, der nur wenigen gelingt.

Bayern spielt in der zweiten Hälfte befreiter

Benfica hätte nun zwei Tore gebraucht, um weiterzukommen, das war eine angenehme Ausgangslage für den FC Bayern, und so spielten die Gäste in der zweiten Halbzeit auch etwas befreiter - begünstigt auch dadurch, dass ihnen der Gastgeber mehr Raum gewährte. Nach einer Ecke traf Müller mit dem Schienbein zum 2:1 (52.). Zwei Minuten später rettete Ederson erst gegen Douglas Costa, dann gegen Franck Ribéry. Weitere acht Minuten später traf Costa den Pfosten.

Es sah nun nach einem entspannten Abend für den FC Bayern aus. Dann aber grätschte Martínez kurz vor dem Strafraum Guedes Goncalo um, er verhinderte damit eine klare Torchance, er hätte auch die rote Karte erhalten können. Es wurde nur die gelbe. Doch den folgenden Freistoß zwirbelte Anderson Talisca ins Tor - dieses Mal war Neuer frei von Schuld (76.).

Benfica stürmte nun an, wütend, verzweifelt, und das reichte, um die Hintermannschaft des FC Bayern wieder zu verunsichern. Neun Minuten nach dem Ausgleich verschuldete erneut Martínez einen Freistoß, erneut trat Talisca an, erneut flog der Ball gefährlich auf das Tor von Manuel Neuer zu. Doch er flog vorbei.

Der FC Bayern wollte dem Spiel nun ein bisschen das Tempo nehmen, die Mannschaft schob sich den Ball zu, die Sekunden verstrichen. Und so endete dieses Viertelfinale so, wie es 180 Minuten lang war: voller Mühen.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2016 / SZ
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