Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Drehpause in Hollywood

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Fokus auf Fußball, jetzt aber wirklich: Der FC Bayern wirkt vor dem Rückspiel in Paris zuversichtlich, dass es noch gelingt, den 2:3-Rückstand aufzuholen - auch die Personalsituation entspannt sich.

Von Sebastian Fischer, München

Vielleicht sollte das Bild den Gegnern ein bisschen Angst machen, auch wenn es sich dafür bei näherer Betrachtung als ungeeignet herausstellte. Das Bild zeigte den Weltfußballer, wie er mit entschlossenem Blick durchs Münchner Schneetreiben joggte. "Robert Lewandowski nimmt Lauftraining auf", stand dazu am Montag auf der Webseite des FC Bayern. Erst darunter folgte die Erklärung: Der Stürmer werde am Dienstag im Champions-League-Viertelfinal-Rückspiel bei Paris Saint-Germain weiterhin nicht zur Verfügung stehen. Und dennoch glauben sie beim deutschen Rekordmeister daran, dass das noch möglich ist, auch ohne ihren besten Torschützen: PSG trotz der 2:3-Hinspielniederlage noch mal Angst einzuflößen.

Man könne ganz weit zurückgehen, "in die Evolution wahrscheinlich", sagte Thomas Müller am Montag in der Pressekonferenz zum Spiel: "Etwas zu verlieren, was man meint schon sicher zu haben, ist für den Menschen immer ganz schlimm. Deswegen wollen wir diesen Moment erzwingen, in dem die Pariser Spieler in diese Situation kommen." Funktionieren, glaubt er, würde das mit einem Führungstor. "Dann ist es ganz menschlich, dass beim Gegner die Alarmglocken losgehen."

Nun waren es in den vergangenen Tagen eher die Alarmglocken beim FC Bayern, die deutlich zu vernehmen waren. Immer mehr Spieler drohten zwischenzeitlich auszufallen, beim 1:1 gegen Union Berlin am Samstag fehlten neun Profis verletzt oder gesperrt, und das Dauerthema um den Konflikt zwischen Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Trainer Hansi Flick und dessen möglichen Abschied im Sommer drohte den Fokus der Mannschaft weg vom Sport zu lenken. Vor dem Hinspiel war es die Entscheidung gewesen, den Vertrag mit Jérôme Boateng nicht zu verlängern, die für Unruhe gesorgt hatte. Laut Kicker erfuhr Boateng von Salihamidzic am Spieltag davon.

Insofern war der Tag vor dem möglicherweise wichtigsten Spiel der Saison ein guter Tag: Zunächst Müller und danach Flick überstanden eine gesamte Pressekonferenz ohne neuerliche, den Konflikt verschärfende Aussagen. Flick musste nicht einmal "nächste Frage" sagen, wie er sich das für entsprechende Nachfragen seit vergangenem Freitag vorgenommen hat. Und Müller ging charmant darauf ein. Als er über Boatengs Abschied sprach, sagte er: "Wenn Spieler sich zu Transfers, beziehungsweise Vertragsgeschichten äußern würden, dann würde es ja zugehen hier wie..." Er musste lachen: "Wie es ja zugeht."

Möglichst so effizient sein wie Paris im Hinspiel: "Dann bin ich guter Dinge", sagt Flick

Doch Müller sagte auch etwas, das er im Laufe dieser Saison schon mal erzählt hat: Den FC Bayern als FC Hollywood, das habe es schon gegeben, als er noch klein und Fan war. Die Freude auf das Spiel lasse sich die Mannschaft deshalb nicht nehmen. "Ich bin aktuell noch sehr überzeugt", sagte er.

Dass es nach viel Zuversicht klang und aussah, wie sich der Münchner Trainer und sein vielleicht wichtigster Spieler am Montag gaben, lag wohl auch an der etwas entspannteren Personalsituation. Zwar bleibt es kompliziert, im Angriff Lewandowski und den positiv auf das Coronavirus getesteten Serge Gnabry zu ersetzen, die Rolle dürfte wieder auf Eric Maxim Choupo-Moting zukommen. Doch im Abschlusstraining waren immerhin Verteidiger Lucas Hernández und Mittelfeldspieler Leon Goretzka wieder dabei, genauso wie Kingsley Coman und Jérôme Boateng, die beim 1:1 gegen Union Berlin am Samstag angeschlagen ausgewechselt werden mussten - was sich aber in beiden Fällen als nicht so schlimm herausgestellt hat. Alle vier werden in Paris im Kader stehen.

Besonders Goretzka ist als physisch herausragender Spieler im Mittelfeld nahezu unersetzlich. Sollte er spielen können, wäre mit Ausnahme der Sturmspitze sogar eine Art Münchner Stammformation möglich. Ansonsten dürfte David Alaba im Mittelfeld beginnen und von Hernández in der Innenverteidigung vertreten werden.

Welche Aufgaben auf die Münchner gerade in der Defensive zukommen werden, das erklärte Müller anschaulich: Man dürfe schon den Passgebern auf die gefürchteten Pariser Angreifer Neymar und Kylian Mbappé, die das Hinspiel nahezu allein entschieden hatten, nicht genug Zeit für kontrollierte Vorlagen geben; auch seien eigene Befreiungsschläge in der Abwehr zu vermeiden, um mit mehr Kurzpassspiel Dominanz entwickeln zu können. Und wichtig sei, nicht "mit der Brechstange" das Tor erzwingen zu wollen, sondern das richtige Maß an Risiko einzugehen. "Immer unsere Defensive im Blick haben und immer das Zentrum dicht haben", wie Flick sagte - und trotzdem zwei Tore schießen, die es mindestens braucht.

An Gelegenheiten dafür hatte es im Hinspiel nicht gemangelt, am vergangenen Mittwoch lautete die Torschussbilanz 31:6 aus Sicht der Bayern. Möglichst so effizient zu sein wie der Gegner im Hinspiel, das wünscht sich Flick. "Dann bin ich guter Dinge", sagt er.

Der Trainer weiß natürlich auch, dass der Ausgang des Rückspiels darüber entscheiden wird, in welcher Stimmung die Debatte auch um seine Person in den kommenden Tagen fortgeführt werden wird. Doch immerhin bis zum Anpfiff dürfte es darum ausnahmsweise nicht gehen.

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