Süddeutsche Zeitung

BVB-Saisoneröffnung:Denkzettel für Gündogan

Lesezeit: 3 min

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Spiele auf ein Tor sind auch mal ganz schön - bei 38 Grad im Schatten jedenfalls. Borussia Dortmunds offizielle Saison-Eröffnung war trotzdem ein Spektakel: Über 40 000 Zuschauer sahen ein 17:0 gegen ein "Team Gold", in dem sich fußballverrückte Hobby-Fußballer aus allen möglichen olympischen Sportarten zusammenfanden, mit dabei zum Beispiel Skispringer Sven Hannawald.

Eine viertel Million Euro sprang für die Deutsche Sporthilfe bei dem auf 70 Minuten reduzierten Jokus-Spiel heraus, in dem die Gold-Jungs allerdings nach zehn Minuten schon 0:3 zurücklagen. Nicht einmal in den letzten Minuten wollte ein Ehrentreffer gelingen, als sie mit 29 Spielern aufs Feld durften.

Gündogan bleibt ein Spieler auf Abruf

Der einzige Misston an diesem entspannten Sommertag waren deshalb die Pfiffe der Südtribüne für Ilkay Gündogan. Der Nationalspieler hatte vergangene Woche seinen Vertrag beim BVB verlängert, aber erneut nur um ein Jährchen. Eine pragmatische Lösung für den vorige Saison meist formschwachen Spielmacher und für den Klub - aber nicht gerade eine Liebesbezeugung.

Die Pfiffe gab es wohl deshalb, weil der Nationalspieler erst verlängert hatte, als er zumindest bei seinen Wunschzielen Barcelona oder Bayern München offenbar nicht unterkommen konnte. Zumindest nicht in diesem Sommer. Andere lukrative Möglichkeiten, bei Paris Saint-Germain oder Manchester United, soll Gündogan ausgeschlagen haben.

"Die Gegner sollen bei uns Bauchschmerzen bekommen."

Trotz der Verlängerung bis 2017 bleibt Gündogan ein Spieler auf Abruf, was die BVB-Fans eher beleidigt zur Kenntnis nehmen. Dortmunds Management sieht die Sache nüchterner: In guter Form kann Gündogan dem BVB nützlich sein und seine Unterschrift (wo auch immer) verspricht spätestens im nächsten Sommer eine sehr attraktive Ablösesumme. Man interpretiert in der Chefetage die Verlängerung deshalb eher als die etwas andere Form der Vereinstreue. "Ich denke, dass der kleine Denkzettel genug ist", kommentierte Dortmunds neuer Trainer Thomas Tuchel die Pfiffe von der Südtribüne, "es war mein ausdrücklicher Wunsch, dass er bleibt."

Die meisten Zuschauer waren ohnehin eher zur Begrüßung des neuen Trainers gekommen. An der speziellen Atmosphäre des Dortmunder Stadions durfte der schon mal ein wenig nippen. Erwartungsgemäß, aber auch erkennbar beeindruckt kündigte Tuchel an: "Wir wollen dieses Stadion zu einer Festung machen, unsere Gegner sollen Bauchschmerzen bekommen." Das hatte nicht ganz den Schmiss seines Vollgas-Vorgängers Jürgen Klopp, aber der indirekte Verweis auf die vielen Heimniederlagen in der vergangenen Saison könnte schon mal ein Wegweiser sein.

Mit dem neuen Job in Dortmund muss sich der Fußball-Experte Tuchel auch an den bisweilen etwas seltsamen Rhythmus eines - zumindest vom Anspruch her - großen Klubs gewöhnen. Am Sonntag schon machte sich der BVB-Tross auf die Reise, nach Japan, Singapur, Malaysia. Der bekanntermaßen akribisch veranlagte Tuchel wird diese geerbte PR-Reise, mit der Dortmund Markenpflege in Asien betreiben will, mit gemischten Gefühlen sehen. Am 30. Juli steht bereits das erste Qualifikationsspiel zur Europa League an.

Immerhin wird in Tokio Shinji Kagawa zur Mannschaft stoßen, der nach Einsätzen für die Nationalelf in Japan bleiben durfte. Auch die U21-Nationalspieler Matthias Ginter und Moritz Leitner sind ab sofort wieder dabei, ebenso wie der Franko-Gabuner Pierre-Emerick Aubameyang, der am Samstag gegen die Gold-Athleten bereits drei Tore in 35 Minuten beisteuerte und vor Anpfiff als "Spieler der Saison 2014/15" geehrt worden war.

Sportdirektor Zorc will den Kader verkleinern

Auch Ciro Immobile, der - wie Aubameyang und der sehr ambitionierte Jonas Hofmann, der von einer Ausleihe an Mainz 05 zum BVB zurückkehrt - steuerte drei Treffer gegen das Team Gold bei. Auch Immobile reist mit nach Asien. Ob der bislang glücklose Stürmer in Dortmund bleibt, ist jedoch ungewiss. "Das hängt auch von Ciro ab", kommentierte Thomas Tuchel diplomatisch.

Bisher soll es keine einzige Anfrage für den Mittelstürmer der italienischen Nationalmannschaft geben. Sein Berater Marco Somella hatte angedeutet, er gehe nicht mehr davon aus, dass Dortmund Immobile überhaupt abgeben wolle. Der BVB liebäugelt mit der möglichen Ablösesumme, so lange Immobile weiterhin - als ruhendes Kapital - auf der Bank sitzt. Da Tuchel aber einst in Mainz höchst variabel spielen ließ, könnte Bedarf für einen wie Immobile bestehen. Gesetzt ist Aubameyang. Der gilt beim BVB als unverkäuflich.

Sportdirektor Michael Zorc will den Kader an anderen Stellen verkleinern. Zugänge dürfte es selbst dann nicht mehr geben, wenn noch Spieler abgegeben werden, so wie am Wochenende der Serbe Milos Jojic, 22, an den 1. FC Köln. Offizielle Anfragen für Sokratis, den Wolfsburg loseisen wollte, und für Matthias Ginter, dem Mönchengladbach einen Stammplatz anbot, hat Dortmund allerdings abgelehnt. Auch Wechselambitionen von Sven Bender wurden offenbar blockiert. Man darf gespannt sein auf den verschärften Konkurrenzkampf beim Tuchel-BVB. Der wurde durch Gündogans Bleiben noch mal verschärft.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2015
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