Süddeutsche Zeitung

BVB:Götzes neues Leben als Mittelstürmer

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Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Für die Kameras wäre es natürlich schön gewesen, wenn Lucien Favre in der Pressekonferenz plötzlich eine Magnumflasche Champagner unter dem Tisch hervorgezaubert hätte, wenn der Korken durch die Luft geknallt und der Schaum nur so herausgespritzt wäre. Immerhin hatte Borussia Dortmund gerade mit einem 5:1 gegen Hannover 96 einen Vereinsrekord perfekt gemacht.

48 Punkte nach 19 Bundesligaspielen hatte der BVB in 52 Jahren Bundesliga noch nie, und jemals besser war zu diesem Zeitpunkt einer Saison nur drei Mal der FC Bayern - in den Jahren 2014 (53 Punkte), 2016 (52) und 2006 (50). Was ihm dieser Vereinsrekord bedeute, wurde Favre gefragt, doch statt mit Schampus zu spritzen, sagte er nur "puh", lächelte verlegen und erklärte: "Es bedeutet nicht viel - das ist nur Statistik." Überflüssig zu erwähnen, dass es auch Statistiken sind, die Dortmund zum Titelkandidaten Nummer eins küren.

Ein Beispiel: Zum 5:1 trug der Zwölf-Tore-Stürmer Paco Alcácer keinen Treffer bei, der Sechs-Tore-Stürmer Jadon Sancho nicht, der 64-Millionen-Euro-Stürmer Christian Pulisic nicht und auch nicht die Angreifer Jacob Bruun Larsen, Marius Wolf oder Maximilian Philipp. Die beiden Letzteren saßen nicht mal auf der Bank. Die 50 Bundesliga-Tore, die der BVB bislang geschossen hat, wurden von 17 verschiedenen Spielern erzielt. Gegen Hannover trafen der Außenverteidiger Achraf Hakimi, die Mittelfeldmänner Raphael Guerreiro und Axel Witsel sowie Marco Reus und Mario Götze.

Götze durfte 66 Minuten lang Mittelstürmer spielen und wurde erst dann gegen Alcácer ausgetauscht. Der 26-Jährige, zu Saisonbeginn mehrfach gar nicht im Kader, war in den jüngsten vier Bundesligaspielen drei Mal Bestandteil der Startelf und hat sich innerhalb des Offensivblocks als Favres Erstlösung noch vor Alcácer etabliert. Schon fordern Sympathisanten die Verlängerung seines bis 2020 gültigen Vertrags. Vor allem körperlich scheint Götze inzwischen auf einem anderen Niveau als in den vergangenen zwei Jahren zu sein.

Die Rückrunde der vorvergangenen Saison hatte er wegen einer diagnostizierten Erschöpfung streichen müssen, und in der vergangenen Saison kam er unter Peter Bosz und Peter Stöger trotz vieler Einsätze nicht wieder auf sein bewährtes Niveau. Dies gelingt ihm erst jetzt unter Favre, zumindest immer wieder. "Ich fühle mich generell wieder sehr, sehr gut und freue mich auf die Rückrunde", hat er im Wintertrainingslager in Marbella gesagt.

Mit der Position als Sturmspitze hat er sich inzwischen angefreundet. Götze selbst nennt seine Rolle eine "spielerische Neun". Er ist ein Mittelstürmer, der seine Position variabel interpretiert: "Wenn man zwischen den Linien agieren kann, wenn man ein Wechselspiel hat mit den Außenstürmern und dem Zehner, dann kann man auch gut aus der Tiefe kommen", sagt er, "wenn also nicht gerade ein klassischer Stoßstürmer gebraucht wird, fühle ich mich in dieser Rolle eigentlich ganz wohl."

Das hat er gegen Hannover wieder zeigen können, ihm gelang sein zweites Saisontor. Es ist drei Jahre her, dass Götze für den FC Bayern mehr Saisontreffer erzielte (drei) und vier Jahre, dass er viel mehr Saisontreffer schoss (neun). Mit seinem nächsten Bundesligator würde er außerdem ein kleines Jubiläum begehen: Es wäre Tor Nummer 50.

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Quelle:
SZ vom 28.01.2019
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