Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund:Sogar der Tausendsassa könnte bleiben

Lesezeit: 3 Min.

Die wieder einmal verlorene Meisterschaft hakt der BVB mit Gleichmut ab. Was wichtiger ist: Der Klub kann wohl seinen Kader, mitsamt Jadon Sancho, beisammenhalten.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Manche Siege kann man noch heute am besten mit einem alten Herberger-Zitat ins rechte Licht setzen. Lucien Favre tat das nach dem 1:0 gegen Hertha BSC auch, mit einem der nachhaltigsten Sätze des deutschen Weltmeister-Trainers von 1954: "Eins null genügt."

Tatsächlich stimmte das an diesem Bundesliga-Wochenende mehr denn je, denn Borussia Dortmunds Trainer durfte sich nicht nur über die drei Punkte freuen, sondern auch über das Serien-Scheitern aller Rivalen im Streit um die Champions-League-Ränge hinter dem einsamen Tabellenführer FC Bayern. Die Münchner selbst machten mit Bayer Leverkusen kurzen Prozess, Mönchengladbach verlor 0:1 in Freiburg, und RB Leipzig ließ in letzter Minute gegen den designierten Absteiger Paderborn noch den Ausgleich zum 1:1 zu.

Emre Can übernahm die Kommentierung

Der Torschütze des einzigen Dortmunder Tores, Emre Can, eigentlich an diesem Tag als Innenverteidiger aufgestellt als Ersatz für den gelb-gesperrten Mats Hummels, ordnete den bisweilen mühsam wirkenden Arbeitssieg entsprechend ein: "Es geht für uns darum, die Champions-League-Qualifikation möglichst schnell unter Dach und Fach zu bringen. Heute haben wir einen Riesenschritt gemacht." Dazu reichte in der Tat ein 1:0, wunderschön herauskombiniert von Jadon Sancho und Julian Brandt, geschickt abgeschlossen von Can, der sein bestes Bundesliga-Spiel für Dortmund machte, seit er in der Winterpause von Juventus Turin nach Deutschland zurückgekehrt war.

Torvorbereiter Julian Brandt konstatierte nachher zwar: "Wir haben heute nicht gut gespielt." In die Kritik wollte sich Dortmunds Spielmacher ausdrücklich mit einschließen. Sein Trainer aber hatte es anders gesehen, mit unerschütterlichem Pragmatismus konnte Favre selbst der bisweilen zähen ersten Halbzeit etwas abgewinnen, und erst recht der zweiten. Favres Dortmunder nahmen Hertha BSC, mit dem neuen Trainer Bruno Labbadia zuvor bestens durch die Geisterspielserie gekommen, weitestgehend aus dem Spiel. "Wir haben das gut kontrolliert", meinte Favre, und Kontrolle ist bekanntlich das zentrale Credo des Schweizers. Hertha hatte zwar durch Alexander Esswein nur eine einzige gute Torchance, aber man weiß nicht, wie es ausgegangen wäre, hätte er Berlin in Führung geschossen.

Dortmund hatte jedenfalls eine Handvoll guter Chancen mehr, aber vor allem Jadon Sancho vergab zwei fein herausgespielte Möglichkeiten. Die Friseur-Affäre, die unter der Woche endlich wieder ein bisschen Futter für den Boulevard gegeben hatte, weil Sancho sich mit seinem extra nach Hause bestellten Coiffeur - Schock! Horror! - ohne Gesichtsmaske fürs Internet hatte ablichten lassen, schien trotzdem ziemlich spurlos an Dortmunds Engländer vorbeizugehen. Favre weigerte sich standhaft, die Friseur-Affäre noch einmal zu thematisieren, und verwies lediglich auf Sanchos noch zartes Alter von gerade 20 Jahren. Emre Can, 26, übernahm die Kommentierung für seinen heranwachsenden Kollegen: "Man muss Jadon ein bisschen führen. Er ist ein Super-Junge, auch außerhalb des Platzes. Ich verstehe mich mit ihm sehr gut. Wir wissen, dass er in manchen Dingen noch etwas disziplinierter werden muss. Aber er macht so etwas nicht absichtlich. Er will bestimmt nicht provozieren."

Favre hingegen kommentierte Cans Rolle: "Wir brauchen drei oder vier Leader in der Mannschaft, die im richtigen Moment vorgeben, was gemacht werden muss." Zu dem Weihnachtstransfer von Can kann Dortmunds Sportchef Michael Zorc sich also fast noch mehr selbst beglückwünschen, als zum parallel eingefädelten Wechsel des Norwegers Erling Haaland, der gegen Berlin erneut verletzt aussetzen musste. Auch ohne den Mittelstürmer kreierte Dortmund Chancen. Berlins Trainer Labbadia nahm die Niederlage gelassen: "Man darf nicht unterschätzen, was für eine Qualität Dortmund hat. Da braucht man schon viel Glück, um etwas zu holen."

Die wieder einmal verlorene Meisterschaft haben sie beim BVB mit ähnlichem Gleichmut inzwischen abgehakt. Die Planungssicherheit mit den in Corona-Zeiten noch wichtigeren Champions-League-Einnahmen geht vor. Mit Favre hat der BVB in der Rückrunde immerhin 33 von möglichen 39 Punkten geholt, und nur die Spitzenspiele in Leverkusen (3:4) und gegen die Bayern (0:1) verloren. Das beruhigt erst einmal die Gemüter.

Zudem stehen die Zeichen gut, dass der BVB seinen Kader, mitsamt des Tausendsassas Jadon Sancho, auch nächste Saison beisammenhalten kann. Dortmund könnte mit seinen soliden Finanzen am Ende ein Gewinner dieser Corona-Krise werden. Andere Ligen, andere Topklubs, die sonst mit Unsummen um sich werfen, wirken bislang in diesem jungen Sommer wie ausgebremst. Dreistellige Transfersummen, wie sie für Jadon Sancho wohl nötig würden, dürften in den nächsten Monaten kaum geboten werden. Auch das hebt die Laune in Dortmund.

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SZ vom 08.06.2020
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