Süddeutsche Zeitung

BVB:Hauptsache gewonnen

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Von Felix Meininghaus, Dortmund

Marco Reus war schon immer ein gelehriger Schüler seines Mentors Lucien Favre. Das begann vor Jahren während der gemeinsamen Zeit in Mönchengladbach, und das hat sich auch in Dortmund nicht geändert. Jetzt, mit Anfang 30, ist der "Fußballer des Jahres" zwar selbst ein Meinungsführer, an die Sprachregelung seines Trainers hält er sich aber weiterhin akribisch. Nach dem schwer erkämpften und am Ende glücklichen Heimsieg gegen seinen ehemaligen Klub, der als Tabellenführer ins Revier gekommen war, gab Reus zu Protokoll, es sei ihm "völlig Wurscht, ob ich der spielentscheidende Mann bin. Die Hauptsache ist doch, das Spiel ist gewonnen".

Das entsprach exakt der Marschroute, die sein sportlicher Vorgesetzter nach drei enttäuschenden Remis in Folge vorgegeben hatte: "Wir müssen gewinnen", hatte Favre gefordert, und seine Mannschaft holte nach dem Tor des Tages durch Reus tatsächlich drei Punkte. Auftrag erfüllt, doch über das wenig glanzvolle Zustandekommen gab es dann doch Gesprächsbedarf. "Wir müssen uns extrem bei Roman Bürki und Marvin Hitz bedanken, die uns den Sieg gerettet haben", wusste Reus. Tatsächlich hatte zuerst der eine, und nach dessen Verletzung der zweite Torhüter aus der Schweiz die Dortmunder Mannschaft mit fantastischen Paraden im Spiel gehalten.

Dazu kam, dass Schiedsrichter Sascha Stegemann den Gästen vom Niederrhein in der Schlussphase einen Strafstoß verwehrte, nachdem Mats Hummels den eingewechselten Patrick Herrmann von hinten von den Beinen geholt hatte: "Das war für mich ein klarer Elfmeter", sagte nicht nur Gladbachs Trainer Marco Rose: "Hummels trifft nicht den Ball, sondern Herrmann am Schussbein, sodass der Ball vorbeigeht." Warum der Video-Schiedsrichter in Köln in dieser Szene nicht intervenierte, blieb ein Rätsel.

Doch auch das interessierte Marco Reus nur am Rande: "So einen Sieg brauchst du mal, um wieder in die Spur zu kommen", sagte der Matchwinner. Zu wenig wehrhaft, zu wenig robust - so lautete der Vorwurf, nachdem der BVB in Frankfurt, gegen Bremen und in Freiburg den Sieg noch aus der Hand gegeben hatte. Nun gelang es, den wertvollen Vorsprung ins Ziel zu retten, das allein zählte.

Die Dortmunder liegen in der Tabelle einen Punkt hinter den Gladbachern und gleichauf mit den Bayern in Lauerstellung. Für Favre bedeutet das Erfolgserlebnis zu Beginn von anspruchsvollen Wochen mit der Champions-League-Begegnung bei Inter Mailand, dem Revierderby auf Schalke, dem Pokalspiel gegen Gladbach und dem Heimspiel gegen starke Wolfsburger, dass die Debatten um ihn ein wenig an Schärfe verlieren.

Der Schweizer kann der chronischen Aufgeregtheit des Unterhaltungsbetriebs Profifußball ohnehin nichts abgewinnen. Der 61-Jährige wünscht sich mehr Besonnenheit und Zurückhaltung, wie es seinem Naturell entspricht. Die öffentliche Beurteilung seines Schaffens sei "zu euphorisch, wenn wir gewinnen, und zu negativ, wenn wir nicht gewinnen".

Wirklich ruhig wird es in Dortmund allerdings nicht werden. Das hat auch mit der Suspendierung von Jadon Sancho zu tun, der für sein chronisches Zuspätkommen und andere Undiszipliniertheiten sanktioniert wurde. "Wir mussten im Sinne der Mannschaftshygiene handeln", betonte Sportdirektor Michael Zorc.

Als Fußballer hat der 19-Jährige schier unermessliche Möglichkeiten, auch in dieser Spielzeit glänzt er bislang als bester Scorer der Borussia. Doch all die Erörterungen, welchen dreistelligen Millionenbetrag ein steinreicher Global Player wie Manchester United über dem börsenorientierten Fußballunternehmen Borussia Dortmund ausschütten wird, um den Engländer zu verpflichten, scheinen nicht spurlos am europaweit begehrten Teenager vorbeizugehen.

Lars Ricken formulierte kürzlich generelle Thesen, als er im Interview mit der Tageszeitung Die Welt betonte, man wolle in Dortmund "keine kleinen Prinzen in bunten Fußballschuhen entwickeln", doch der Nachwuchs-Koordinator des BVB könnte damit durchaus auch explizit Jadon Sancho gemeint haben.

Der Mann, der am 28. Mai 1997 in München beim Champions-League-Finale gegen Juventus Turin mit seinem Tor zum 3:1 zur Vereinsikone wurde, führte weiter aus: "Wir reden ja auch über Persönlichkeitsentwicklung und darüber, Typen zu bekommen, die durchsetzungsstark und konfliktfähig sind. Deshalb müssen wir aufpassen, dass junge Spieler nicht nur in der Blase Fußball leben, sondern auch noch Kontakt zu Menschen behalten, die keine Leistungssportler sind."

So weit die Theorie, die nicht nur im Falle von Jadon Sancho nur bedingt zu funktionieren scheint. Zorc betonte, die Suspendierung gelte nur für die Begegnung gegen Gladbach: "Ich gehe davon aus, dass Jadon am Mittwoch in der Champions League in Mailand wieder auf dem Platz steht."

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