Süddeutsche Zeitung

Fußball:Und bei den Männern?

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Zwei Fußballerinnen des FC Bayern heiraten und der Klub postet ein Foto davon. Bei Fußballern scheint ein solches Szenario undenkbar und man muss die Frage stellen: Warum ist das immer noch so?

Kommentar von Martin Schneider

Zwei Fußballerinnen des FC Bayern haben geheiratet und der Verein hat ein Bild von den beiden im Hochzeitskleid beim Anschneiden der Hochzeitstorte verbreitet. Das haben in Deutschland wenige Menschen mitbekommen, noch weniger haben sich darüber echauffiert und das ist schön. Es ist ja auch ziemlich normal, dass zwei Menschen heiraten. Man könnte vielleicht darüber debattieren, welche Herausforderungen es mit sich bringt, mit dem Ehepartner den Arbeitsplatz zu teilen, aber auch das kriegen in diesem Land ein paar Leute hin.

Und nun ein kurzes Gedankenexperiment: Was wäre los, wenn zwei Fußballer des FC Bayern heiraten würden und der Verein ein Foto davon über seine Social-Media-Kanäle posten würde? Gleicher Sport, gleiche Liga, gleicher Verein, anderes Geschlecht.

Das Ergebnis wäre kein kollektives Schulterzucken, das Ergebnis wäre ein sogenanntes mediales Erdbeben und dann ... ja, das ist die Frage: Was dann? Das weiß niemand so richtig, weil es keine Erfahrungswerte gibt. Weil es auch im Jahr 2018, auch nach dem Bundestagsbeschluss der Ehe für alle keinen aktiven Profifußballer in Deutschland gibt, der für sich entschieden hat: Ich bin schwul und ich sage das und gut ist.

Das muss natürlich niemand tun. Aber Fakt ist, dass seit Gründung der Bundesliga jeder einzelne homosexuelle Spieler für sich die Entscheidung getroffen hat, lieber versteckt zu leben, als an die Öffentlichkeit zu gehen. Rein theoretisch ist es möglich, dass jeder Einzelne davon es mit dem Argument getan hat: Es geht die Öffentlichkeit nichts an, mit wem ich lebe. Es ist aber durchaus denkbar, dass einige schon gern einfach mit ihrem Partner auf der Vereins-Weihnachtsfeier auftauchen würden, wie andere mit ihrer Partnerin.

Gerade lief auf dem Filmfest Hamburg der Film "Mario", am 15. Oktober hat er in Berlin Premiere, es geht darin um das beschriebene Szenario: Zwei Profi-Fußballer verlieben sich ineinander. Der FC St. Pauli hat für den Film Trikots und Stadion zur Verfügung gestellt, die Mannschaft war bei der Premiere anwesend. Thomas Hitzlsperger, der vor mehr als vier Jahren in einem Interview über seine Homosexualität sprach, sagt heute, seine Ängste vor dem Gang an die Öffentlichkeit seien unbegründet gewesen. Nahezu alle Bundesligisten haben Fanclubs, die zum schwul-lesbischen Netzwerk QFF (Queer Football Fanclubs) gehören.

Die Angst vor den Reaktionen der Fans ist ein oft gebrauchtes Argument gegen einen Gang an die Öffentlichkeit, dabei ist in vielen Kurven bereits die Regenbogenfahne zu sehen. Ein anderes Argument ist die Akzeptanz in der Kabine - ob das ein Problem wäre, das können wohl nur andere Profifußballer beantworten.

Film und Hochzeits-Foto der Bayern-Fußballerinnen sind jedenfalls ein willkommener Anlass, dass sich die Akteure des Männer-Fußballs mal wieder selbstkritisch hinterfragen, ob sie wirklich alles dafür tun, um gesellschaftliche Akzeptanz für jede Art von Sexualität zu schaffen. Oder wie es sonst zu erklären ist, dass jeder einzelne homosexuelle Spieler der Liga zu der Entscheidung kommt: Ich bin mal lieber ruhig.

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