Süddeutsche Zeitung

Bundesliga-Relegation:Der kleine Trick mit Marco Reus

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Der Erstligist bleibt drin, der Zweitligist bleibt unten: Dank eines glücklichen 1:1 in Bochum feiert Borussia Mönchengladbach den verspäteten Klassenerhalt. Das wichtigste Tor seines Lebens schießt ausgerechnet Marco Reus - der eigentlich gar nicht auflaufen sollte.

Carsten Eberts

Wie viele Minuten würde Schiedsrichter Peter Gagelmann wohl nachspielen lassen? Der Aufschrei war gewaltig, als Borussia Mönchengladbach im Hinspiel einige Sekunden mehr gestattet wurden, ein letzter Einwurf in den Strafraum gelangte und Igor de Camargo doch noch zum 1:0 ins Bochumer Tor traf.

Diesmal war es egal. Als die Nachspielzeit in Bochum anbrach, lagen sich die Ersatzspieler von Borussia Mönchengladbach längst in den Armen. Ein Tor hin oder her, es hätte nichts mehr ausgemacht: Durch ein 1:1 (1:0) im Rückspiel hat sich der Bundesligist für ein weiteres Jahr in der Eliteklasse qualifiziert - der VfL Bochum spielt weiterhin gegen Paderborn, Aue und Ingolstadt.

Das erste kleine Psychospielchen hatten die Gladbacher bereits vor dem Anpfiff gewonnen: Marco Reus, dessen Muskelverletzung unter der Woche ausgiebig beweint wurde, konnte natürlich auflaufen, sogar von Beginn an. Reus hatte Mönchengladbach in der Schlussphase der Saison erst auf den Relegationsplatz geschossen - nun durfte er auch beim entscheidenden Spiel nicht fehlen.

Bochums Trainer Friedhelm Funkel war hingegen weniger nach solchen Mätzchen. Das Hinspiel, als Mönchengladbach erst nach Ablauf der Nachspielzeit das 1:0-Siegtor gelang, war Psychospiel genug. Funkel hoffte jedoch, dass seine Spieler diesen Schlag verkraftet hatten. "Die Jungs haben das verarbeitet", sagte Funkel: "Sie müssen einfach die Leistung aus dem Hinspiel abrufen."

Noch keine drei Minuten waren gespielt, da hätte Bochums Verteidiger Marcel Maltritz die Vorgabe seines Trainers bereits trefflich umgesetzt. Eine Flanke von Freier traf er wuchtig mit dem Kopf, der Ball klatschte jedoch über Gladbachs Keeper Marc-André ter Stegen an die Latte. Nach 24 Minuten brachte Dabrowski dann den Ball mit einem koordinierten Linksschuss in die Mitte, wo er Gladbachs Mittelfeldmann Havard Nordtveit zunächst ans Schienbein und von dort ins Tor prallte. Der Zweitligist hatte das Relegationsduell in diesem Moment ausgeglichen.

Wie würde die Borussia reagieren? Zunächst: überhaupt nicht. In der 41. Minute jedoch: gewaltig. Wie zuvor Maltritz stemmte sich nun Mohamadou Idrissou in die Luft, traf den Ball optimal, das Spielgerät donnerte jedoch an die Latte. Was Gladbach ansonsten zeigte, war zu ängstlich - und das im wichtigsten Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte.

Nach der Pause wurde die Partie wenig besser - Mönchengladbach zeigte sich jedoch engagierter. In der 55. Minute dann große Aufregung: Idrissou brachte den Ball aus Nahdistanz per Fallrückzieher an Bochums Torwart Luthe vorbei zum genesenen Marco Reus. Der beförderte den Ball ins Tor, stand jedoch so eindeutig abseits, dass sich nicht einmal Reus selbst eine Gefühlsregung erlaubte.

Nach 67 Minuten wurde auch Gladbachs Trainer Lucien Favre nervös und brachte Igor de Camargo, den Last-Second-Torschützen aus dem Hinspiel. Als genügte allein diese Maßnahme als Wachmacher, machte Gladbach plötzlich Druck: Bochums Faton Toski rettete jedoch zunächst per Kopf auf der Linie.

Dann nahm die irrwitzige Geschichte um Marco Reus ihren Lauf. Eigentlich galt er als verletzt, lief trotzdem auf - um nun Gladbach endgültig zum Klassenerhalt zu schießen. De Camargo schickte Reus kurz nach seiner Einwechslung in den Strafraum, Reus sprintete auf einmal, als jage er gerade eine Herde Antilopen - und überwand Luthe in der 72. Minute sicher zum Ausgleich.

Bochum brauchte jetzt wieder zwei Tore - und war sich der Ausweglosigkeit der Lage offenbar bewusst. In der Offensive stellte der Klub seine Bemühungen ein, Gladbach hingegen spielte routiniert. Das späte Tor gelang den Bochumern nicht mehr - es hätte auch nichts genützt. "Wir waren über 180 Minuten ein gleichwertiger Gegner", sagte Trainer Funkel traurig: "Aber am Ende ist die etwas glücklichere Mannschaft in der ersten Liga geblieben."

Gladbachs Held des Abends war nicht nur Marco Reus - sondern auch Trainer Lucien Favre. Die Fans feierten ihn mit Sprechchören, die Spieler stimmten ein. Als Favre Mönchengladbach im Frühjahr übernahm, hatte die Borussia sieben Punkte Rückstand auf einen Relegationsplatz. Nun hatte der sympathische Schweizer den Klub tatsächlich gerettet.

Nach dem Spiel tat sich Favre schwer, seine eigene Leistung einzuordnen. "Wir haben sehr gut gearbeitet, es hat gereicht", sagte er bescheiden, wollte auf seinen eigenen Beitrag gar nicht eingehen. Keeper Marc-André ter Stegen brachte es hingegen auf den Punkt: "Er kam, sah und siegte."

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