Süddeutsche Zeitung

Tabellenführer in der Bundesliga:Freiburg macht alles richtig

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Der Sportclub hat den FC Bayern von der Tabellenspitze vertrieben - und ist der härteste Widersacher der notorischen Neider, Besserwisser und Misanthropen im deutschen Fußball.

Kommentar von Philipp Selldorf

Ja gut, der SC Freiburg hat es irgendwie geschafft, den FC Bayern von der Tabellenspitze zu vertreiben, und man kann auch nicht leugnen, dass beim Auswärtsspiel in Leverkusen die Zugänge Ritsu Doan, Michael Gregoritsch und Matthias Ginter sämtliche Tore geschossen haben, und natürlich sind jetzt alle wieder total begeistert, dass der Trainer Christian Streich nicht rumtönt wie Goliath, sondern von Punkten gegen den Abstieg fantasiert.

Aber das ist wahrscheinlich auch besser so, denn es ist längst nicht alles gut beim angeblich so vorbildlichen Sportclub: Wo war denn ein Herr Grifo, als Bayer 04 vor dem 0:1 über seine Seite marschierte? Wie kann man sich bei 2:1-Führung so ein preiswertes Tor einschenken lassen wie den Ausgleich durch Schick? Dass im nächsten Moment das 3:2 fällt, dazu gibt es nur eine Erklärung: Papst in der Tasche gehabt.

Und übrigens: Wie haben denn die sogenannten Top-Einkäufe Daniel Kofi-Kyereh und Merlin Röhl das Wochenende verbracht? Sie haben sich, von Streich aus dem Kader verbannt, beim Spiel mit Freiburg II gegen den FC Ingolstadt die Zeit vertreiben müssen. 7,5 Millionen Euro Ablöse für zwei Spieler, die vor knapp 1000 Zuschauern in der dritten Liga kicken? Sieht so also die hochgelobte Freiburger Einkaufspolitik aus?

Freiburg ist Tabellenführer - da darf man ruhig einmal innehalten

Okay, Schluss damit. Hat keinen Sinn. Mit dem Drei-Gänge-Klapprad den Watzmann hochzufahren, ist einfacher, als den SC Freiburg mit Kritik entlarven zu wollen. Der Sportclub macht derzeit nicht nur alles richtig, sondern es jedes Jahr noch ein bisschen besser. Er ist der härteste Widersacher der notorischen Neider, Besserwisser und Misanthropen, die hierzulande bekanntlich starke Verbände bilden könnten.

Eine Freiburger Tabellenführung nach dem fünften Spieltag ist zwar noch kein Meilenstein der deutschen Fußballgeschichte, doch man darf in diesem vergänglichen Moment schon mal innehalten und feststellen, dass es eine ziemliche Meisterleistung des Sportclubs ist, die glänzende Vorsaison im gleichen Duktus fortzusetzen und den neuen Aufgaben im Europapokal mit einer Kaderexpansion zu begegnen, die man zurzeit nur als gelungen, schlau und obendrein preisgünstig bezeichnen kann. Kyereh und Röhl werden, jede Wette, schon noch ihren Teil bei den Profis beitragen, am Wochenende haben sie erst mal geholfen, den SC Freiburg II auf Platz drei der Drittligatabelle zu befördern. Der FC Bayern II spielt übrigens in der Regionalliga.

Kenner haben zuletzt öfter angemerkt, der Sportclub profitiere davon, mit Ausnahme von Nico Schlotterbeck sein eingespieltes Team beisammengehalten zu haben. Doch dass dies kein Wert an sich ist, belegen die krisenhaft gestarteten Konstrukte Bayer Leverkusen und RB Leipzig. Bei den einen wurde der Verbleib von Patrik Schick und Moussa Diaby gefeiert, bei den anderen konnte man Christopher Nkunku und Dani Olmo im Hause halten und kombinierte sie mit den vermeintlich leicht integrierbaren Neuerwerbungen Timo Werner, David Raum und Xaver Schlager. Leipzig und Leverkusen legten im Sommer sogar Bekenntnisse zur Ambition ab, doch beide befinden sich nun mindestens im Punktenotstand, was auch auf einen weiteren Verein mit engen Industriebeziehungen zutrifft: Dem VfL Wolfsburg gelingt auch nicht viel, was Anlass gibt, Besserung zu erwarten.

Aus Sicht der Traditionalisten und Romantiker darf der fünfte Spieltag also gern einen Meilenstein gesetzt haben. Nicht nur deshalb, weil an diesem Tag, man kann es nicht oft genug aufsagen, der SC Freiburg den FC Bayern von der Tabellenspitze vertrieben hat.

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