Süddeutsche Zeitung

Bundesliga der Frauen:Bayern hängt die Verfolgerinnen ab

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Beim Re-Start der Bundesliga der Frauen gelingt dem Tabellenzweiten FC Bayern gegen Hoffenheim ein wichtiger Sieg. TSG-Trainer Jürgen Ehrmann sitzt nicht auf der Bank, weil er als Lehrer arbeitet und sich nicht in Isolation begeben kann.

Aus dem Stadion von Anna Dreher, München

Wie sehr Jens Scheuer unter Druck stand an diesem Mittag, ist in einigen Szenen zu sehen gewesen. Der Trainer des FC Bayern München lief auf und ab, er coachte viel und wurde laut und bisweilen schien er zu vergessen, dass es für ihn einen bestimmten Bereich an der Seitenlinie gibt, in dem er sich während eines Spiels aufhalten soll. Am deutlichsten zu beobachten aber war die Anspannung in der 87. Minute. Jovana Damnjanovic war allein auf das Tor zugelaufen und hatte den Ball entschlossen über die Linie befördert. Und als die serbische Offensivspielerin danach im Jubel unter ihren Mitspielerinnen verschwand, rannte Scheuer, die Arme in den Himmel gestreckt, auf das Spielfeld. Wäre nicht Kathrin Hendrich in seiner Spur gestanden, Scheuer wäre wohl unaufhaltsam bis in den Mittelkreis gestürmt, vielleicht sogar noch weiter, so sehr platzten Freude und Erleichterung aus ihm heraus.

Am Freitag hat die Fußballbundesliga der Frauen ihre wegen des Coronavirus unterbrochene Saison wieder gestartet, wie bei den Männern mit Auflagen und ohne Fans auf den Tribünen. Einen Tag später endete auch für den FC Bayern mit dem Anpfiff um 13 Uhr im Campus-Stadion die 90 Tage währende Unterbrechung. Nach wochenlangem Training individuell zu Hause, in Kleingruppen und schließlich wieder als Mannschaft sowie einer einwöchigen Hotel-Quarantäne gemäß dem Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) war die große Unbekannte die Antwort auf die Frage: Wo stehen die Mannschaften nach der ungewöhnlichen Pause? Der Neustart barg für den FC Bayern gleich eine Art Vorentscheidung um den zweiten Tabellenplatz und damit die Qualifikation zur Champions League gegen die Verfolgerinnen der TSG 1899 Hoffenheim. Die Meisterschaft ist so gut wie entschieden: Der VfL Wolfsburg führt die Liga mit acht Punkten Vorsprung auf Bayern deutlich an.

Wenige Minuten nach seinem emotionalen Ausbruch durfte sich Scheuer, 41, endgültig freuen. Nach Toren von Hendrich (84. Minute), Damnjanovic (87.) und einem präzise in den Winkel geschossenen Freistoß von Lina Magull (90.+3) hatte diese Begegnung mit 3:0 (0:0) ein deutlicheres Ergebnis, als es dem Spielverlauf entsprach. Und es gab durchaus Momente, die die Partie zu Gunsten der unermüdlich kämpfenden Gäste hätten wenden können. Am Ende aber waren es Hoffenheims Spielerinnen, die enttäuscht im Kreis beisammenstanden, während die Münchnerinnen sich freuten und sich - im Gegensatz zum Jubel im Überschwang der Gefühle nach den Treffern - wieder daran erinnerten, dass im Hygienekonzept auch hierfür ganz bestimmte Richtlinien erdacht worden sind. Vier Punkte mehr als Hoffenheim haben sie nun.

Die TSG verpasste den Gewinn des Momentums um wenige Zentimeter

"Wir haben ein bisschen gebraucht, um ins Spiel zu kommen. Da hat man auch die Nervosität nach der langen Pause gemerkt. Aber ich hatte zu keiner Phase des Spiels das Gefühl, dass wir verlieren können", sagte Scheuer. "Uns als Team hat die Woche in Quarantäne gutgetan, wir sind dadurch noch mehr zusammengewachsen." Auf dem Platz zeigte sich dieses Zusammenwachsen von Beginn an in einem starken Offensivdrang, den Hoffenheim jedoch erwiderte, und so entwickelte sich eine intensive, schnelle Partie, in der sich beide Teams gegenseitig im Spielaufbau oft entscheidend störten. Und während Scheuer Anweisungen aufs Feld rief und gestikulierte, musste sich Jürgen Ehrmann sichtbar bemüht zurückhalten. Weil der Trainer der TSG auch als Berufsschullehrer arbeitet, konnte er sich nicht in die Isolation begeben und musste auf der Tribüne mit Mundschutz sitzend dem intensiven Hin und Her folgen, ohne eingreifen zu können. Er wurde vertreten von seinem Co-Trainer Gábor Gallai.

In der 41. Minute sprang Ehrmann auf: Bayerns Kristin Demann rutschte bei der Klärung eines langen Balls weg, Torhüterin Laura Benkarth kam heraus geeilt und nach einem Querpass von Tabea Waßmuth hätte Maximiliane Rall Hoffenheim in Führung bringen können - ja, müssen. Doch weil Carina Wenninger im entscheidenden Moment grätschte, kullerte der Ball rechts am Pfosten vorbei. Die TSG verpasste den Gewinn des Momentums um wenige Zentimeter. Und darüber freute sich Scheuer wiederum so sehr, dass er mit weit aufgerissenen Augen und Siegerfaust der Gästebank entgegenbrüllte.

Von weiteren Chancen für den Tabellenzweiten wie für den Dritten vergab Münchens Mandy Islacker die größte, als sie eine Hereingabe unbedrängt am Tor vorbeischoss (75.) und die Frage nun vor allem lautete: Wer hält dieses Niveau bei der Neustart-Premiere am längsten durch? Die Antwort kam dann aufgeteilt in kurz aufeinanderfolgende Häppchen von Hendrich aus kurzer Distanz, Damnjanovic nach einem Konter und schließlich Magull mit ihrem technisch feinen Freistoß. "Wir haben von Beginn an viele Dinge so umgesetzt, wie wir es uns vorgenommen hatten", sagte Gallai. "Was uns gefehlt hat, war ein Tor." Dabei gab es das sogar noch: Hoffenheim hatte in der 89. Minute durch Jana Beuschlein den vermeintlichen Anschlusstreffer erzielt, Schiedsrichterin Karoline Wacker entschied auf Abseits. Der Protest vom auf der Tribüne verteilten mitgereisten Hoffenheimer Tross um Trainer Ehrmann verhallte im Campus-Stadion jedoch bald. Fans waren ja keine da.

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SZ vom 01.06.2020
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