Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: FC Bayern:"Servus! Nennen Sie mich Takashi!"

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Der japanische Markt erreicht München: Takashi Usami soll beim FC Bayern mehr sein als nur ein Marketing-Transfer. Der Dribbler aus Fernost soll Ersatz für die verletzungsanfälligen Flügelspieler Robben und Ribéry sein - und gibt als Fernziel für seine Karriere selbstbewusst "Weltfußballer" an.

Moritz Kielbassa

Martin Hägele, beim FC Bayern der Beauftragte für internationale Beziehungen mit Faible für Asien, erhielt am Montag dringende Anfragen. Japanische Reporter, die ihr Frauenteam in großer Karawane durch die WM in Deutschland begleitet hatten, baten um Verschiebung des Pressetermins in München, sie mussten ja noch von Frankfurt aus die Hymnen über den historischen Titel in die Heimat versenden.

Die Bayern wiesen den Wunsch höflich zurück, ihr Team geht am Dienstag auf eine Testspielreise nach Mainz. Planmäßig, 14 Uhr, stellte der Rekordmeister seinen ersten Probanden aus Fernost vor: Takashi Usami, zarte 19 und Leihgabe von Gamba Osaka für die Angriffszone, wurde aufs Podium im Pressesaal der Münchner Arena gesetzt, ein Ansturm von 100 Berichterstattern aus Japan war erwartet worden.

Aus aktuellem Anlass kamen viel weniger, die meisten verpassten Usamis Begrüßungsvers: "Servus! Nennen Sie mich Takashi!", sagte er nett, fast schüchtern, im Idiom seiner Wahlheimat, die junge Dolmetscherin in der verglasten Kabine musste an dieser Stelle nichts übersetzen.

Vor eine kniffligere Aufgabe stellte sie Sportchef Christian Nerlinger mit seiner Rollenbeschreibung für den neuen Angestellten: Usami sei bei den Bayern eingeplant "als Back-up für unsere Flügelzange Ribéry und Robben". Das dürfte auf Japanisch interessant klingen.

Usami könnte in Bayerns offensiver Dreierreihe des bevorzugten 4-2-3-1-Systems nicht nur die verletzungsanfälligen Außendribbler doublen, sondern auch Thomas Müller als Halbspitze: "Rechts, links, aber auch in der Mitte", sei er einsetzbar, sagte er.

Seine Stärke? "Wenn der Ball bei mir ist!" Ins globalisierte Münchner Ensemble bringt er eine neue Farbe. "Usami hat große Fähigkeiten", findet Nerlinger, betont aber auch: Geduld, bitte! "Wir geben ihm Zeit für den Riesenschritt in eine neue Kultur."

Den Bayern war es in dieser Hinsicht nicht unrecht, dass die Präsentation nicht ausuferte. Der Rummel um Usami, der erstmal als Hinterbänkler in den Kader eintritt, ist in Japan, dem Land mit den auflagenstärksten Zeitungen der Welt, groß genug. Diese Aufregung soll künftig von ihm ferngehalten werden, so weit es geht.

Das wird ein schweres Unterfangen, schon bei Usamis Ankunft vorige Woche saßen TV-Teams mit im Flieger, sie begleiteten ihn und Ran, seine Verlobte, zum Medizincheck, zum ersten Innenstadt-Bummel und zum Trainingsplatz, wo Usami bei Jonglier-Einlagen seine technische Veranlagung andeutete. Auf gut bayerisch: Er dantelte.

Jupp Heynckes, der neue Trainer, sah Usami zuvor nur auf DVD. Vorgänger van Gaal hatte ein Probetraining verlangt und von Osaka eine Absage erhalten. Heynckes genügte ausnahmsweise die Ferndiagnose: "Das ist ein quicklebendiger Junge: leichtfüßig, schnell, fußballerisch gut, einer wie Kagawa in Dortmund, und" - wichtiger Zusatz - "er wirkt selbstbewusst."

Dass Usami als Fernziel "Weltfußballer" angibt, findet Heynckes "frech. Das hat mir gefallen!" Der Japan-erfahrene Kölner Sportdirektor Volker Finke empfahl Usami den Bayern, weil er, anders als viele Landsleute, vor dem Tor nicht selbstlos den sechsten Querpass suche. Sondern den Abschluss.

Obwohl die Bayern mit Urawa kooperierten und ihre Homepage auch auf Japanisch anzuklicken ist, scheuten sie sich lange, einen Japaner in ihre Obhut zu nehmen. Wenn wir da einen holen, so dachten sie, muss es eine Granate sein, einer mit Stammplatz-Perspektive - sonst würde die Branche höhnen: Hahaha, ein reiner Marketing-Gag, um den Klub am asiatischen Markt zu positionieren.

Japaner, glaubten früher zudem viele, täten sich im Profifußball schwer mit ihrer Mentalität, ihrer Höflichkeit und Zurückhaltung, ihrem Fleiß, ihrer Bescheidenheit an der Grenze zum Unterwürfigen. Nun sind Japaner in der Bundesliga kein Experiment mehr: Kagawa (Dortmund), Hasebe (Wolfsburg), Okazaki (Stuttgart), Uchida (Schalke), sie waren Türöffner in eine Nische, keiner der Klubs bereute die Erwerbung. Nun zieht Bayern nach, offiziell ohne Erwartungsdruck für Usami, der laut Nerlinger "aus rein sportlichen Gesichtspunkten" geholt wurde.

Usami, seit 2009 in der J-League und soeben erstmals in Japans Nationalelf berufen, ist bis Juni 2012 geliehen, Gebühr: 300.000 Euro. Nach der Probezeit haben die Bayern ein Kaufrecht für 1,5 Millionen.

In ihrer aktuellen Transfer-Offensive, die nach einem titellosen Jahr vor allem die poröse Defensive festigen soll (Neuer, Rafinha, Boateng), ist Usami ein kleiner, preiswerter Baustein - aber mit Überraschungspotential: "Wird er Stammspieler, was sich jeder wünscht, wäre das eine feine Sache", sagt Präsident Uli Hoeneß, "dann würde uns das sicher am asiatischen Markt helfen." Subtext: Wenn nicht, wär's kein Beinbruch.

Usami spricht diskret von einem "Versuch", sich auf Topniveau in Fernwest zu behaupten, wie der zügig durchgestartete Shinji Kagawa, der "ein guter Freund" sei. Heynckes, hoffen die Bayern, könnte Usami helfen: mit wohlwollender Pädagogik, die auch die Pflege von Reservisten einschließt. Als Profi in Gladbach war Heynckes mehrmals nach Japan gereist, seither mag er Land und Leute.

Zum Wohlfühl-Umfeld, das Usami in München vorfinden soll, gehört sein deutscher Berater Wiggerl Kögl, ein dribbelnder Vorfahre von Ribéry einst am linken Bayern-Flügel - und auch im neuen Beruf mit seriösem, bodenständigen Image.

Beim Turnier in Mainz (erster Gegner am Dienstag: Hamburger SV) ist sein Klient dabei. Usami sagt: "Ich habe gehört, dass ich mitspielen darf."

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Quelle:
SZ vom 19.07.2011
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