Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Alles pausiert, nur Augsburg kickt

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Von Sebastian Fischer

Der FC Augsburg ist um seinen Beitrag zur Hilfe in der Corona-Krise bemüht. Unter anderem nutzte der Klub in den vergangenen Tagen seine Reichweite in den sozialen Netzwerken für mehrere Mitteilungen, eine davon in Form einer Grafik mit der Überschrift: "Was bewirkt Social Distancing?" Darunter wird erklärt, dass eine Person mit um 75 Prozent reduzierter Anzahl an Sozialkontakten in 30 Tagen mehr als 400 Personen weniger anstecken kann. Distanz zu wahren, so die deutliche Botschaft, sei nun sehr wichtig. In den Kommentarspalten musste sich der Klub danach allerdings der kritischen Frage einer Anhängerin stellen: "Warum findet dann ab Montag das Training statt?"

Tatsächlich war Augsburg am Montag - also einen Tag, nachdem bundesweit private Treffen von mehr als zwei Personen untersagt worden waren - der einzige Bundesligist, bei dem der Ball rollte. In der vergangenen Woche hatten Borussia Mönchengladbach und RB Leipzig in Kleingruppen und mit Einschränkungen auf dem Platz trainiert. Von dieser Woche an haben aber beide Klubs wie die meisten Erstligisten, wenn deren Spieler nicht ohnehin wegen positiver Corona-Tests im Kader unter Quarantäne stehen, Individualtraining im Home-Office angeordnet.

Am Montag trafen sich außer den Augsburgern nur die Profis des VfL Wolfsburg, allerdings nur zum zeitversetzten Krafttraining im Stadion in Kleingruppen. Vor dem Training wird in Wolfsburg bei jedem Spieler Fieber gemessen, nach dem Training hat jede Gruppe eine Kabine, die Duschen werden nach jedem Waschen desinfiziert. "Wir sind keine Freizeit-Veranstaltung", sagte VfL-Sportgeschäftsführer Jörg Schmadtke der Bild. "Wir gehen unserem Job nach. Ich versichere, dass wir uns an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts halten und danach handeln."

In Augsburg sind die Vorkehrungen ähnlich: Einem Klub-Sprecher zufolge können die Fußballer umgezogen zum Training kommen und danach wieder fahren; für alle, die dennoch die Kabinen im Stadion nutzen, werden die Duschen umfassend gereinigt. Trainiert wird in Kleingruppen von bis zu acht Spielern, auf mehreren Plätzen verteilt, zu unterschiedlichen Zeiten. Zweikämpfe sind dabei nicht erlaubt, aber zum Beispiel Passübungen und Torschüsse.

Der VfL musste laut Vereinsangaben bei der Stadt Wolfsburg eine Ausnahmegenehmigung beantragen, um mit der Mannschaft auch draußen trainieren zu dürfen. Bislang machte der Klub davon noch nicht Gebrauch - und hat das auch vorerst nicht vor. Beim FCA ist nicht explizit von einer Ausnahmegenehmigung die Rede, doch das Vorgehen sei mit den Behörden abgeklärt. "Unsere Trainingsplätze sind ja keine städtischen Freizeit-Anlagen, sondern Betriebsstätten", heißt es dazu vom Klub. Die Zusicherung, nach Vorschrift zu handeln, "haben wir auch schriftlich". Zur Arbeit zu gehen, so die Begründung, sei schließlich immer noch erlaubt. "Jeder Profisportler will sich, so gut es geht, fit halten. Wenn er zwei Tage Ruhe geben muss, wird er unruhig - und es kribbelt", hatte Manager Stefan Reuter bereits in der vergangenen Woche zu Augsburgs Plänen im Sky-Interview gesagt. Es sei "für jeden Spieler angenehmer, auf dem Platz was zu machen. Das sind Fußballer, die haben gerne den Ball am Fuß."

Besonderheit in Augsburg

Es gibt auch Verständnis, zumindest in Bezug auf den Wolfsburger Ansatz. Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Sporthochschule Köln, sagte dem Sport-Informationsdienst: "Kleine Gruppen sind für Sportler, die es gewohnt sind, in Gruppen zu trainieren, besser als Einzeltraining". Eine "Rudelbildung", sagte er gar, tue Profiteams auch in der momentanen Situation gut. "Das Mentale ist neben der Körperlichkeit der große Vorteil." In der vergangenen Woche hatten die FCA-Spieler jeweils allein zu Hause trainiert.

Es ist die Besonderheit in Augsburg, dass dort unmittelbar vor der Unterbrechung der Saison der Trainer wechselte. Heiko Herrlich übernahm nach dem 25. Spieltag für den beurlaubten Martin Schmidt, der 26. Spieltag wurde abgesagt. "Er wollte was bewegen, für Stimmung im Stadion sorgen, dass die Mannschaft wieder so auftritt, wie es über Jahre der Fall war und es die Fans sehen wollen. Das ist aktuell schwierig", sagte Reuter.

Ähnlich wie an den anderen 17 Bundesligastandorten auch rechnen sie in Augsburg damit, dass die Saison, die nach der Empfehlung des DFL-Präsidiums am Dienstag mindestens bis 30. April pausieren soll, irgendwann fortgesetzt wird. "Daran werden wir alles setzen", sagte Reuter.

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Quelle:
SZ vom 25.03.2020
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