Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Gladbach bekämpft die Blockade

Lesezeit: 3 min

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Die Tücken der Ketchup-Flasche sind bekannt. Für das Problem mit der zähflüssigen Tomatensoße, die lange nicht, aber plötzlich im Schwall herauskommt, gibt es sogar einen wissenschaftlichen Terminus: Thixotropie.

Den "Ketchup-Effekt" kennt auch der norwegische Fußballprofi Havard Nordtveit, der für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga spielt. Nordtveit hat aber keine Angst vor dem Schwall, im Gegenteil: Wenn er an diesem Freitagabend mit seinen Gladbachern gegen Werder Bremen spielt, dann wünscht er sich einen solchen Ketchup-Effekt: einen Sieg nach mehreren Niederlagen, und viele Gladbacher Tore nach vielen Ladehemmungen. "Erst kam lange nichts, und jetzt kommt hoffentlich alles auf einmal", sagt Nordtveit.

Sein Trainer André Schubert findet die Metapher von der Ketchup-Flasche so lala. Dabei hat seine Tätigkeit in Gladbach im September mit genau solch einem Ketchup-Effekt begonnen, nachdem sein Vorgänger Lucien Favre nach fünf Niederlagen zum Saisonstart zurücktrat und die Gladbacher im ersten Spiel unter Schubert in den ersten 20 Minuten gleich vier Tore gegen den FC Augsburg (Endstand 4:2) erzielten.

Doch einen solchen Befreiungsschlag findet Schubert diesmal gar nicht erforderlich, weil er die Lage auch gar nicht so dramatisch findet wie damals als Tabellenletzter nach fünf Niederlagen. In die Rückrunde sind die Borussen nun zwar wieder mit Niederlagen gestartet, aber beim 1:3 gegen Dortmund hat Schubert seine Mannschaft "ordentlich" spielen sehen, und beim 0:1 in Mainz sogar "gut".

In Gladbach trauern sie dem Begeisterungsfußball hinterher

Schubert will von "irgendwelchen Negativtrends" nichts wissen: "Man hat halt in der Saison mal eine Phase, in der es nicht so gut läuft", sagt er, "wir haben einiges an Ausfällen, in Mainz hat uns das komplette zentrale Mittelfeld gefehlt, und wir sind nach einer psychisch und physisch fordernden Hinrunde sowie einer kurzen Winterpause noch nicht wieder bei 100 Prozent - aber es gibt keinen Grund zur Panik." Und keinen Grund, eine Blockade zu lösen.

Dabei trauert Gladbach dem erfolgreichen Begeisterungsfußball aus dem vergangenen Herbst durchaus hinterher. Am 8. Dezember, um kurz vor 21.30 Uhr, hatte die Borussia ihren saisonalen Zenit erreicht. Der Stürmer Raffael erzielte kurz vor der Pause die 2:1-Führung im Champions-League-Spiel bei Manchester City. Drei Tage zuvor hatte Gladbach den FC Bayern 3:1 besiegt.

Doch das Spiel gegen Manchester ging noch 2:4 verloren, damit war das Aus im Europapokal besiegelt. Von ihren seitdem fünf Pflichtspielen verloren die Gladbacher vier. In den vier Bundesligaspielen haben sie nur gegen Darmstadt gewonnen (3:2) - und sind vom dritten auf den sechsten Platz abgerutscht. Gegen Werder Bremen schieden sie im Achtelfinale mit einer schmerzhaften 3:4-Heimniederlage aus dem DFB-Pokal aus. Wenn die Borussen nun wieder die Bremer empfangen, geht es in der Bundesliga-Tabelle bereits um den Anschluss an jene Spitzengruppe, in der am Saisonende die Europapokal-Startplätze vergeben werden.

Der Trainer muss sich nun beweisen

In der aktuellen Debatte um die Verfassung seiner Mannschaft verweist Schubert gern auf jene Statistik, die Mönchengladbacher Medien nur die "Schubert-Tabelle" nennen. In der Schubert-Tabelle sind statt der bislang absolvierten 19 Spieltage nur jene 14 berücksichtigt, seit denen Schubert für die Borussia zuständig ist. Mit 29 Punkten stehen die Gladbacher in dieser Spezialwertung (ohne die fünf Auftakt-Niederlagen unter Favre) punktgleich mit Borussia Dortmund hinter dem FC Bayern (37 Punkte). Vor dem Hintergrund dieser Gesamtausbeute mag Schubert Kritik an den fünf Niederlagen in den jüngsten sechs Pflichtspielen und an den darin kassierten 19 Gegentreffern nicht gar so gerne hören.

Am Donnerstag saß Schubert vor den Medien. Je nach Stimmungslage ernten Trainer mehr schmeichelnde oder mehr skeptische Fragen. Bei Schubert mischt sich in die Schmeichelei langsam Skepsis. "Reifeprüfung" nennen die Lokalzeitungen die bevorstehende Phase für Schubert. Der Trainer müsse beweisen, dass er seine Mannschaft auch in einer Phase des Misserfolgs optimal und erfolgreich auf jedes Spiel einstellen könne. Sein Chef Max Eberl, der Sportdirektor der Borussia, erwartet mindestens, "dass die Mannschaft alles raushaut". Dann werde man sehen, was dabei herauskommt. Erwartet wird in Mönchengladbach ein Wegweiser zurück nach oben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2849807
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.