Süddeutsche Zeitung

Wechsel von Jérôme Boateng:Letzte Ausfahrt: Juventus Turin

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Von Benedikt Warmbrunn, München

Jérôme Boateng lief allen weg. Ein bisschen sieht er ja immer so aus, als sei er in Gedanken versunken, vielleicht war er es wenige Minuten vor dem Abpfiff am Samstag aber wirklich. Und so merkte er nicht, dass er alle abhängte. Während die anderen ein bisschen trödelten, hatte Boateng bereits die Ersatzbank des FC Bayern erreicht. Er setzte sich, dann schaute er sich ein weiteres Fußballspiel an, das ohne seine Beteiligung stattfand. Das 6:1 der Münchner gegen Mainz war bereits das dritte Pflichtspiel in Serie, in dem Boateng keine Minute spielte (in der Woche zuvor in Schalke fehlte er erkrankt). Doch wusste Boateng in jener 78. Minute auch schon, dass er sich möglicherweise bereits die letzten zwölf Minuten seiner Karriere im Trikot des FC Bayern anschaute?

Seit Ende Mai gilt Boateng, der am Mittwoch 31 Jahre alt wird, als erster Wechselkandidat im Kader des FC Bayern, seit jenem Tag, an dem ihm Präsident Uli Hoeneß "als Freund" zum Abschied geraten hatte. Am Sonntag deutete sich an, dass dieser Wechsel in den letzten Minuten der Transferperiode tatsächlich noch klappen könnte. Die Bild meldete am Sonntagmittag, dass Boateng vor einem Wechsel zu Juventus Turin stehe. Auch nach SZ-Informationen ist Juve an Boateng interessiert. Der italienische Rekordmeister sucht in der Innenverteidigung einen Ersatz für Giorgio Chiellini, der nach einem Kreuzbandriss monatelang ausfallen wird. Dem Vernehmen nach soll Boateng unter mehreren Kandidaten der erste sein. Bis zum späten Sonntagnachmittag war es aber unklar, ob es auch zu einer Einigung kommen würde.

Monatelang hatte der Weltmeister von 2014 auf ein passendes Angebot gewartet. Was sein Gehalt angeht, war er angeblich zu Einbußen bereit - nicht aber, was seine Ansprüche angeht. Boateng wollte noch einmal für eine Mannschaft spielen, mit der er die Chance haben könnte, die Champions League zu gewinnen. Boatengs Ehrgeiz ist groß, er will es allen in München beweisen, dass er besser ist, als ihn der Verein in den vergangenen Monaten dargestellt hat. Der Innenverteidiger ist durchaus von seinen fußballerischen Fähigkeiten weiterhin überzeugt; umso mehr hatte er sich über die Aussagen von Hoeneß geärgert. Auch dass Trainer Niko Kovac, der vor einem Jahr noch gegen einen Wechsel von Boateng nach Paris votiert hatte, ihn im Pokal und zum Ligaauftakt nicht berücksichtigte, machte den Spieler, den sie lange nur Boss gerufen hatten, wütend.

Dass er kurz vor dem Ende der Transferfrist an diesem Montag noch den ersehnten neuen Verein finden könnte, das deutete sich am Sonntagmittag an, als Boateng bei einem Videodreh für den Weißbierpartner der Bayern fehlte. Laut Kicker soll er bei den FCB-Bossen nachgefragt haben, ob er mit Juventus verhandeln dürfe. In Turin hat er immerhin gute Chancen, seine ehrgeizigen sportlichen Ziele zu erreichen; die Mannschaft zählt zum Kreis der Titelfavoriten in der Champions League. Und die Partie von Juve am Samstag hat gezeigt, dass ein erfahrener Mann in der Abwehr eine sinnvolle Bereicherung wäre: Die Mannschaft gewann 4:3 gegen Neapel, verspielte dabei aber zwischendurch innerhalb von 15 Minuten eine 3:0-Führung.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2019
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