Süddeutsche Zeitung

Biathlon-Skandal:Wenn der Verbandssprecher im Nebenjob einen Callgirl-Betrieb unterhält

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Hat sich Russland den früheren Biathlon-Präsidenten gefügig gemacht? Es deuten sich Frivolitäten an, die die übliche Korruptionspraxis im Sport noch übertreffen.

Kommentar von Thomas Kistner

Was tut sich im Biathlon, im Jahr eins nach dem Langzeit-Präsidenten Anders Besseberg? Der Norweger hatte sich, wie das so ist in modernen Weltsportverbänden, sein eigenes kleines Reich erschaffen, samt Hofstaat und Netzwerk, das sich Richtung Russland auswuchs und dabei flott so blickdicht verfilzte, dass nun Strafermittler den Verhau aus kleinen und großen (Doping-)Betrügereien lichten müssen. Besseberg und seine Engsten mussten gehen, als das Ganze im Frühjahr aufflog, seither wird intensiv ermittelt. Und auch die Nachfolger unter dem Schweden Olle Dahlin haben jede Menge Aufklärungsarbeit vor sich. Darunter fällt, neben vielen Doping-Verdachtsfällen, die Frage, wie das Herrschaftssystem Besseberg im Detail funktioniert hat. Hier deuten sich Frivolitäten an, die über die gängigen Hinterzimmerdeals mit Kreml-Funktionären hinausreichen.

Die laufenden Strafermittlungen basieren auf einem vertraulichen Dossier, das die Daten-Forensiker der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada erstellt haben. In diesem Report heißt es, die Russen hätten sich Besseberg gefügig gemacht - und es wird auch präzisiert, wie diese Gefälligkeiten ausgesehen haben sollen.

Besseberg hatte den Skijäger-Sport insofern trefflich verkörpert, als er selbst ein passionierter Jäger ist. Jedoch mehr einer aus der Gattung Wildschütz, er war gern unterwegs in den Wäldern Osteuropas, auch im Umfeld von IBU-Terminen. Und wenn es dunkel wurde, soll der leidenschaftliche Waidmann auch andere Pirsch-Routen gesucht haben, so steht es jedenfalls im Wada-Dossier: Im Zuge der Erörterung präsidialer Privatpassionen findet sich das Wörtchen "Prostituierte". Besseberg selbst wies stets sämtliche Vorwürfe strikt von sich.

IBU-Vizepräsident Hamza spricht von Drohungen und Einschüchterungen

Das hakt nun insofern, als sich ein neues Detail in die Verdachtskette fügt: Der langjährige Kommunikationschef des Weltverbandes betrieb, dies verrät das Handelsregister, nebenbei über Jahre einen Escort-Service. Das findet sich nicht mal in den Sumpflandschaften des Weltsports alle Tage: Dass der Verbandssprecher im Nebenjob einen Callgirl-Betrieb unterhält! Dass hinter dieser Konstellation zielstrebige Personalplanung stehen könnte, bestritt der Erotik-Unternehmer nun aber vehement gegenüber der ARD: Der IBU-Boss habe nie die Dienste der Erotikdamen in Anspruch genommen.

Wobei das immerhin schon eine Annäherung ans schlüpfrige Thema ist. Noch im April hatte der Mann auf SZ-Anfrage glattweg jede Kenntnis von erotischen Umtrieben im IBU-Umfeld abgestritten. Er habe da mal Gerüchte gehört. Das sei aber schon alles.

Ob der IBU-Boss also ein glückliches Händchen bei der Kabinettsbildung hatte, ob die Nebengeschäfte des damaligen Pressechefs eine Rolle spielten und aus welchen Ländern das Servicepersonal stammte, das wird nun von der Staatsanwaltschaft untersucht: Die Ermittlungen seien in "vollem Gange", teilt die Behörde mit. Wobei die Frage, wie privat die Einflussnahmen russischer Sportfunktionäre auf manche Kollegen ausfallen, soeben eine neue Facette erhielt.

Jiri Hamza wirft russischen Offiziellen vor, ihn im Zuge der Dopingaffäre massiv bedroht und eingeschüchtert zu haben. "Einige russische Offizielle haben uns bedroht, auch meine Familie. Sie wollten uns zum Schweigen bringen", sagte der tschechische IBU-Vizepräsident seiner Heimatzeitung Lidove Noviny. Hamza gehörte schon vor Bessebergs Sturz zu den schärfsten Kritikern Russlands und des IBU-Patrons. Anders übrigens als die meisten deutschen Biathlon-Vertreter.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2018
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