Süddeutsche Zeitung

Franziska Preuß:Der beste Winter ihrer Karriere

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Franziska Preuß beendet die Biathlon-Saison auf Rang drei in der Gesamtwertung - und freut sich jetzt schon auf die anstehende Olympia-Saison.

Von Saskia Aleythe, Östersund/München

Ein bisschen Weltschmerz hat Franziska Preuß in dieser langen Saison schon mal verspürt, auch wenn das jetzt sehr weit weg erscheint. Die Crux mit Biathlon-Rennen ist ja die, dass sie einem selber nicht verraten, warum sie sich so oder so für einen entwickelt haben, nach Rang 18 Anfang Januar in Oberhof haderte Preuß: "Warum kriegen es die anderen immer hin und bei uns hängt es irgendwie?" Schießen doof, Laufen doof, alles doof - doch jetzt würden viele der "Anderen" gerne mit ihr tauschen.

Franziska Preuß, 27, hat sich danach einen Status als Phänomen erarbeitet: Sie ist im Theater der Besten jetzt festes Ensemble-Mitglied. Neun Mal hintereinander lief sie in die Top acht, kein Ausrutscher, kein Stolperer - das schaffte niemand außer ihr, nicht mal die Gesamtweltcupsiegerin Tiril Eckhoff. In Sachen Zuverlässigkeit war die Deutsche unschlagbar, am Sonntag in Östersund beendete sie ihren Winter so gut wie nie zuvor, in der Endabrechnung stand Platz drei. "Das war wirklich eine gute Saison für mich. Jetzt bin ich erst mal glücklich", sagte sie in der ARD nach Rang drei im Massenstart; trotz sechs Fehlern war sie bei böigen Verhältnissen wieder ganz vorne dabei. Ihre Aufgabe für die kommenden Monate lautet nun: Das neue Selbstbewusstsein behutsam einzupacken und mitzunehmen in die Olympia-Saison.

Je nach Gemütsverfassung könnte man das alles auch ganz anders sehen: Acht Mal in Serie lief Preuß knapp am Podest vorbei, leistete sich meist den einen entscheidenden Fehler zu viel. Eckhoff ergatterte 16 Podiumsplätze, Preuß vier. Man müsse schon zufrieden sein mit Platz vier, fünf und sechs, sagte Preuß nach ihren Rennen oft - und war es dann doch nicht. Ein untrügliches Zeichen für ein verändertes Selbstverständnis also und ihre gesammelten Erfahrungen: Wenn sie auf die Bühne kommt, sollte sich die erste Reihe nicht mehr so sicher fühlen. Und wenn man Preuß heute vor Rennen sieht, wie sie gelöst ist und lacht, dann weiß man: Dieser Winter hat sie verändert.

Aus guten Ergebnissen kann man Kraft ziehen, aber vor allem auch aus guten Entscheidungen. Nachdem Preuß im Vorjahr zu ihrem früheren Trainer Tobias Reiter zurückkehrte, gehört sie auf der Loipe nun regelmäßig zu den besten Zehn. Auch beim Saisonendspurt in Mittelschweden, wo sich manche Konkurrentin mit schwachen Beinen über die Strecke schleppte. "Der Weg, den ich gegangen bin, war absolut der richtige", sagte Preuß, "das ist cool, wenn man das jetzt schwarz auf weiß sieht." Das Gefühl, noch Energiereserven zu haben, kannte Preuß aus den Vorjahren nicht: Da warfen sie stets Infekte zurück. Nun konnte sie sich sogar in Endspurts wagen, Rennstrategien austüfteln und umsetzen - und aus dem Problemkind in der Staffel wurde plötzlich eine Schlussläuferin. Bei der WM auf der Hochebene Pokljuka ließ sie sich trotz Überholung auf der Schlussrunde nicht abschütteln und preschte noch auf den letzten Metern zu Silber.

Herrmann verliert den Status als beste Deutsche

Das alles fällt umso mehr auf, weil Denise Herrmann - im Vorjahr Dritte im Gesamt-Weltcup - ihren Status als beste Deutsche an Preuß verloren hat und sich wellenartig durch die Saison bewegte. Nach Platz zwei im Einzel zum Saisonauftakt wurde Herrmann am Schießstand immer unsicherer, auch die sonst so flinken Beine waren launischer als in den Vorjahren. Ihre Trainingssteuerung hatte die 32-Jährige schon auf Olympia in Peking ausgerichtet, manchmal war das Pensum dann einfach zu hoch. "Auf einem hohen Leistungsniveau ist das manchmal ein Tanz auf der Rasierklinge", sagte Bundestrainer Mark Kirchner. Preuß balancierte, Herrmann hatte wunde Füße.

Kämpferisch präsentierten sich nun beide in Östersund, der Wind blies kräftig, viele Scheiben blieben unberührt. Herrmann (6 Fehler) arbeitete sich noch vor auf Rang elf, Janina Hettich (4) wurde Neunte. Und Preuß behielt auch nach vier Patzern im ersten Stehendanschlag die Nerven. Ingrid Landmark Tandrevold aus Norwegen holte sich den Sieg und auch die kleine Kristallkugel im Massenstart, knapp vor Preuß. Der konnte das wenig anhaben, nach diesem Winter: "Ich bin voll motiviert für nächstes Jahr. Ich freue mich jetzt schon auf die neue Saison."

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