Süddeutsche Zeitung

Biathlon:IBU-Spitze soll Doping jahrelang vertuscht haben

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"Systematisch korruptes und unethisches Verhalten": Ein Untersuchungsbericht erhebt schwere Vorwürfe gegen die frühere Spitze des Biathlon-Weltverbandes.

Bestechungsgelder an Top-Funktionäre, fragwürdige Praktiken im Anti-Doping-Kampf - und Russland spielt wieder mal eine Hauptrolle: Der Biathlon-Sport muss die Scherben seiner düsteren Vergangenheit auflesen. Wie eine externe Untersuchungskommission des Weltverbandes feststellte, sollen der ehemalige IBU-Präsident Anders Besseberg (Norwegen) und die frühere Generalsekretärin Nicole Resch aus Deutschland über Jahre russische Machenschaften gedeckt haben. Die ehemalige Spitze habe bei der Vertuschung von Dopingfällen "systematisch korruptes und unethisches Verhalten" an den Tag gelegt, heißt es im Abschlussbericht. Neben Geldbeträgen soll Besseberg als illegale Belohnung teure Uhren, kostenlose Jagdausflüge oder Dienste von Prostituierten erhalten haben. Resch bekam wohl Luxusurlaube spendiert.

Die vorliegenden Beweise deuten darauf hin, dass vor allem Ex-Präsident Besseberg bei "praktisch allem, was er tat, konsequent russische Interessen bevorzugte und schützte", so die Untersuchungskommission ERC. Der Norweger, von 1992 bis 2018 Präsident des Weltverbandes, sei auf aktive Vertuschungsversuche des staatlichen russischen Dopingsystems eingegangen und hätte damit sogar weiteren Betrug ermöglicht, so die Vorwürfe. "Das von Herrn Besseberg proklamierte Engagement für sauberen Sport war eine Farce", heißt es im Untersuchungsbericht.

In Österreich und Norwegen laufen auch Strafverfahren

Gleiches gelte für Resch, wenn auch in minimal abgeschwächter Form. Die ehemalige Generalsekretärin soll sich Besseberg anfangs widersetzt haben. Doch dann soll sie beispielsweise 2015 eine im Weltcup-Umfeld gefundene EPO-Spritze ebenso ignoriert haben wie hochgradig abnormale Blutwerte bei Jewgeni Ustjugow vor den Olympischen Spielen in Sotschi. Ustjugow gewann später gedopt mit der Staffel Olympiagold. Es war einer von vielen Betrugsfällen, die durch ein konsequenteres Vorgehen von Besseberg und Resch wohl hätten verhindert werden können. Doch stattdessen hob Besseberg seine schützende Hand über die russischen Athleten.

Das IBU-Exekutivkomitee hatte die ERC im November 2018 beauftragt, eine umfassende Untersuchung der Vorwürfe gegen Besseberg und Resch durchzuführen. Vorausgegangen waren zahlreiche Razzien, bei denen Hinweise auf vertuschte Dopingfälle und einen gigantischen Korruptionssumpf gefunden worden waren. Durch die im Zuge der unabhängigen Untersuchung begutachteten 70 000 Dokumente und etwa 60 durchgeführten Befragungen erhärteten sich diese Vorwürfe nun.

Konkrete Folgen für die jeweils 2018 zurückgetretenen Beschuldigten nannte der Untersuchungsbericht erstmal nicht. In Österreich und Norwegen laufen Strafverfahren gegen Besseberg und Resch. Gegenüber den dortigen Behörden hatten beide jegliches Fehlverhalten bislang abgestritten. Über eine Disziplinar-Anklage und Konsequenzen im Biathlon soll in den kommenden Wochen entschieden werden. Der amtierende IBU-Präsident Olle Dahlin zeigte sich über das Fehlverhalten seines Vorgängers "schockiert".

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