Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Boateng hat ausgetanzt

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Von Benedikt Warmbrunn

Was tänzerische Einlagen angeht, machen Jérôme Boateng nicht viele Fußballer etwas vor. 2015 zum Beispiel, der FC Bayern hatte gerade 6:1 gegen den FC Porto gewonnen, ließ sich der Innenverteidiger dabei filmen, wie er gemeinsam mit Rafinha in der Kabine tanzte. Boateng demonstrierte dabei, dass man auch in Badelatschen und eingewickelt in ein Handtuch eine gute Figur machen kann, vorausgesetzt, man hat den entsprechenden Hüftschwung. Für die Feierlichkeiten einer Fußballmannschaft kann es also kaum einen wichtigeren Teilnehmer geben als Boateng mit all seiner Coolness und Lockerheit.

Wenn Deutschlands oberster Fußballtänzer sich bei einer Feierlichkeit jedoch zurückhält, fällt dies umso mehr auf.

Am Samstag verließ Boateng als erster Münchner den Rasen des Olympiastadions in Berlin, und zwar: im Sprint. Seine Mitspieler feierten, und Boateng verschwand. Es waren zum Saisonfinale Bilder, die denen von der Meisterfeier in der Woche zuvor ähnelten, als Boateng erstaunlich emotionslos geblieben war; bei der anschließenden Party im Abend hatte er gefehlt (beim Pokalsieger-Bankett war er dabei). Die Bilder von Boateng in Berlin waren aber auch die passenden zu seiner Saison.

Im Sommer wollte Boateng nach Paris wechseln - er musste bleiben. In der Hinrunde spielte Boateng wie viele andere deutsche Nationalspieler so unbeständig wie schon lange nicht mehr. Im Winter veränderte Trainer Niko Kovac die Hierarchie, die Nummer eins in der Innenverteidigung ist seitdem Niklas Süle, die Nummer zwei Mats Hummels. Boateng ist nur noch der dritte Mann für die Abwehrmitte. Im März teilte ihm Bundestrainer Joachim Löw mit, dass er nicht mehr mit ihm plane.

Insgesamt spielte der enorm ehrgeizige Boateng in dieser Saison wettbewerbsübergreifend nur in 28 Spielen mit, obwohl er nie ernsthaft verletzt war. Im Sommer wird Boateng den Klub wohl verlassen, zuletzt war über ein Angebot von Inter Mailand spekuliert worden. "Ich würde ihm empfehlen, den Verein zu verlassen, er wirkt wie ein Fremdkörper. Als Freund würde ich ihm empfehlen, sich eine neue Herausforderung zu suchen", sagte am Sonntag Präsident Uli Hoeneß, der nicht unbedingt als Freund von Boateng bekannt ist.

Die Bilder aus Berlin waren also genau die passenden, weil sie die letzten in einer Saison waren, in der der großartige Tänzer und übrigens auch Fußballer Jérôme Boateng immer weiter verschwand.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2019
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