Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Der Kapitän mahnt und tadelt

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Von Carsten Scheele, Paderborn

Manuel Neuer stand schon ein paar Minuten im Trainingsanzug vor der Kabine in der Paderborner Arena, hatte über die gelungenen und weniger gelungenen Aspekte der Dienstreise nach Ostwestfalen referiert, als er einen an Richtigkeit kaum zu überbietenden Satz sagte. Diese fünf bis sechs, je nach Zählweise auch sieben bis acht Großchancen, die die Spieler des FC Bayern am Samstagnachmittag beim 3:2 (1:0) gegen den SC Paderborn ausgelassen hatten, "die werden wir in London nicht bekommen".

In London, am Dienstagabend in der Champions League also, erwartet die Münchner ein anderes Kaliber als am Bundesligasamstag beim forschen, aber auch manchmal kräftig unsortierten Aufsteiger, der den Bayern anfänglich arg viel Platz zur kreativen Entfaltung ließ. In London geht es gegen Tottenham Hotspur, den Champions-League-Finalisten aus dem gerade zu Ende gegangenen Sommer. Mit "vielleicht ein oder zwei Großchancen" rechnet Neuer für diese gesamte Partie, mehr nicht: "Die müssen wir dann nutzen".

Was zugleich Mahnung als auch Aufforderung des Kapitäns an sein stürmendes Personal war. Es wird Spiele wohl geben, in denen eine solche Lässigkeit, wie sie die Bayern in Paderborn verbreiteten, deutlich härter bestraft wird.

"Das Spiel war enger als nötig"

Es ging vom Anpfiff weg los: Robert Lewandowski völlig frei am Tor vorbei; Philippe Coutinho nach tollem Manöver auf die Latte; Serge Gnabry mehrere Male etwas zu überhastet. Gerade in der ersten Halbzeit hätten die Bayern das Auswärtsspiel um einige Stufen eindeutiger gestalten müssen. "Da muss das Spiel zu Ende sein", ärgerte sich auch Joshua Kimmich über die Schludrigkeiten seiner Vorderleute: "Vielleicht haben wir nicht so zielstrebig auf das 3:0 gespielt und waren in den Köpfen durch, dass das 2:0 reicht." So kam Paderborn erst auf 1:2, später auf 2:3 heran, und die Bayern hatten ihre Mühe, die drei Punkte abzusichern.

Neuer nahm seine Mitspieler einerseits in Schutz ("schießt ja niemand absichtlich neben das Tor"), konnte sich einen tadelnden Unterton aber auch nicht verkneifen: "Das Spiel war enger als nötig. Wir haben uns die Probleme selbst gemacht." Zweimal hatte der Torhüter an diesem Nachmittag hinter sich greifen müssen: einmal nach einem Tor des jungen Kai Pröger, dann nach einem 30-Meter-Wunderschuss von Jamilu Collins, der den Ball neben dem verdatterten Neuer ins Netz einschlagen ließ. Doch das originäre Problem waren nicht die beiden Gegentore, auch wenn jedes für sich in der Entstehung ärgerlich war. Sondern dass der Gegner durch diese Treffer überhaupt eine Chance hatte, wieder ins Spiel zurückzufinden.

Zur Pause steht es oft nur 1:0

An einem anderen, normaleren Tag hätten die Bayern zur Halbzeit leicht 4:0 oder 5:0 führen können, nach einer Stunde noch höher. Doch wer Trainer Niko Kovac zuhörte, der bemerkte, dass er diese anderen, normaleren Tage schon länger vermisst. Es sei "nicht das erste Mal, dass wir vor der Halbzeit dominieren und nur mit einem Tor in die Pause gehen", klagte der Trainer. In der Tat, auch gegen Köln (4:0) und Belgrad (3:0) führten die Münchner zuletzt zur Pause lediglich mit 1:0, im Topspiel gegen Leipzig (1:1) nutzte der Rekordmeister die anfängliche frappierende Überlegenheit ebenfalls nur zu einer Einsnull-Führung, was durch den Leipziger Ausgleich in der zweiten Halbzeit prompt mit Punktverlusten bestraft wurde. Man habe sich die Probleme selbst gemacht, müsse schon in der ersten Halbzeit "konsequenter sein", moserte Kovac, "dann kommt der Gegner auch nicht mehr zurück".

Kapitän Neuer immerhin hegte die Hoffnung, dass sich die Stürmer bei den anstehenden Aufgaben etwas früher auf ihre Kernkompetenzen besinnen, am besten vor dem Halbzeitpfiff. Vielleicht, und das war die einfachste Erklärung, die an diesem Samstag zu finden war, hätten sich Lewandowski und Co. ihre Kaltschnäuzigkeit ja bloß "für Dienstag aufgehoben".

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Quelle:
SZ vom 29.09.2019
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