Süddeutsche Zeitung

1:3 gegen Leverkusen:Dem FC Bayern gehen die Argumente aus

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Zum fünften Mal in dieser Saison reicht den Münchnern eine Führung nicht zum Sieg. Gründe für diese Inkonstanz findet man in der Kaderbreite - und beim Trainer.

Kommentar von Sebastian Fischer

Es passte zur Saison des altehrwürdigen FC Bayern, dass Trainer Niko Kovac nach dem 1:3 gegen Bayer Leverkusen einen Vergleich mit der fernen Vergangenheit bemühte, um seine Hoffnung für die nahe Zukunft zu bemühen. 2001, sagte Kovac, sei die Bundesliga ja erst in den letzten Sekunden des letzten Spieltags zu Gunsten der Münchner entschieden worden - er glaube weiterhin an den Meistertitel, trotz nun sieben Punkten Rückstand.

2001, könnte man nun allerdings spitzfindig anmerken, gab es noch keinen Videobeweis mit kalibrierten Abseitslinien. 2001 gab es keinen Konkurrenten, der schwindelerregenden Offensivfußball spielte, sondern den von Huub Stevens trainierten FC Schalke 04. 2001 gab es noch keinen derart aufgeblähten Terminkalender, der einen sehr breiten Kader erfordert. 2001 gab es womöglich noch nicht mal dieses furchtbar anstrengende Umschaltspiel, jedenfalls hat das damals niemand so genannt. 2001, so viel steht fest, ist heute kein Argument mehr. Und deshalb gehen dem alten deutschen Meister so langsam die Argumente aus, auch der neue deutsche Meister zu werden.

Das Duell um den Titel 2019 ist eines zwischen dem FC Bayern, der vieles so machen will wie gestern, und dem Herausforderer Borussia Dortmund, der einiges versucht, was zur Not auch erst morgen funktionieren darf, aber schon heute Erfolg hat. Der 20. Spieltag hat dieser Geschichte ein Kapitel hinzugefügt. Schon die Aufstellung zeigte mal wieder, dass Dortmund den Generationenwechsel eingeläutet, der FC Bayern ihn dagegen verpasst hat: Im BVB-Kader für das Spiel bei Eintracht Frankfurt fehlte zum wiederholten Mal Marcel Schmelzer, der Kapitän aus den Vorjahren. Nun ja, begründete Sportdirektor Michale Zorc, der Kader sei eben groß, der Trainer habe die "Qual der Wahl". Niko Kovac hatte bei seinen Einwechslungen eher nicht die Qual der Wahl: Renato Sanches, Alphonso Davies und Serge Gnabry sind derzeit die einzigen verbliebenen gesunden Offensivspieler im Kader. Stürmer Sandro Wagner ging im Winter nach China - aber auch davor hatte ihn Kovac nicht als Option gesehen.

Nun ist es nicht so, dass die bewährten Münchner Mittel nichts mehr taugen: Das 1:0 leitete ein Außenristpass von Mats Hummels ein; ein Pass, wie er ihn seit mehr als einem Jahrzehnt spielt. Und Torvorbereiter war Thomas Müller, der beste Vorlagengeber der vergangenen Bundesligasaison, der nun immerhin schon auf sechs Assists kommt. Doch dann traf Leverkusens Flügelangreifer Leon Bailey, an dem der FC Bayern im vergangenen Sommer angeblich Interesse zeigte, aber wieder Abstand nahm. Dann waren Leverkusens Konter zu schnell für Bayerns Abwehr. Zuvor fiel in Frankfurt über Dortmunds linke Seite, die früher die Schmelzer-Seite war, der von Raphael Guerreiro vorbereitete Führungstreffer.

Die Inkonstanz bleibt ein Merkmal der Bayern-Saison

Beim FC Bayern werden in den kommenden Tagen und Wochen verletzte Spieler zurückkehren: Manuel Neuer und Thiago, Franck Ribéry und Arjen Robben. Die Bayern bleiben damit eine herausragende Mannschaft an einem guten Tag. Aber in einer ganzen Saison? "Wir dürfen uns keine Fehler mehr erlauben", hat Joshua Kimmich vor der Rückrunde gesagt, das Gegenteil ist nun bereits drei Spiele später eingetroffen. Die Inkonstanz bleibt ein Merkmal der Bayern-Saison.

Und wer nun mit den sieben Siegen zuvor argumentieren will - schon in der Vorwoche rettete nur der Pfosten die Bayern in einem Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten VfB Stuttgart vor einem zwischenzeitlichen 2:2. Gegen Leverkusen hat zum insgesamt fünften Mal eine Führung nicht für einen Sieg gereicht; ein Indiz für fehlende Kaderbreite und fürs höchste Niveau nicht ausreichende taktische Flexibilität. Was auch Niko Kovac nach dem Spiel gegen Leverkusen bemängelte. Das ist gut, weil er als Trainer für Analysen zuständig ist, aber schlecht, weil er als Trainer auch für die Taktik verantwortlich ist. Ein Trainer wohlgemerkt, der eigentlich für defensive Stabilität steht.

Kovac hat nach dem Spiel auch über den Videobeweis gesprochen, der das vermeintliche 2:0 durch Robert Lewandowski wegen einer ausgesprochen knappen Abseitsstellung als ungültig auswies. "Wahrscheinlich ist ein Zentimetermaß rausgeholt worden", sagte er und meinte wohl so etwas wie: Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ist es aber. Auch wenn der FC Bayern sich vielleicht noch daran gewöhnen muss.

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