Süddeutsche Zeitung

Bayern-Elfmeterschütze Arjen Robben:Mit der Attitüde eines Unfehlbaren

Lesezeit: 3 min

Schon wieder ein Fehlschuss vom Punkt. Und das in der Verlängerung des Champions-League-Finales. Bei niemandem sonst trifft das Versagen des Abends auf eine so prägnante Vorgeschichte wie bei Arjen Robben. In der Beziehung zu seinem Klub hat sich viel Ballast angesammelt - eine Trennung kommt aber nicht in Frage.

Claudio Catuogno

Den Lachs mit Limonen-Crème-fraîche hatten sie heruntergelöffelt, ohne dass die Geschmacksnerven noch zur angemessenen Entzückung in der Lage gewesen wären. Nun ging es auf vier Uhr morgens zu, und man sah Manuel Neuer und Arjen Robben die Köpfe zusammenstecken. Minutenlang.

Die Party-Lokalität des FC Bayern im Münchner Postpalast war ein bisschen wie ein Stadion arrangiert: In der Mitte saßen die Mitglieder der Bayern-Familie samt guter Freunde, drum herum flanierten, mit Blick auf die Prominenz, die übrigen Gäste. Was es da wohl zu besprechen gab zwischen Neuer und Robben, zwischen Torwart und Angriffsspieler? Spötter unter den Besuchern, von denen es auch im Moment des Scheiterns einige gibt im Umfeld des Klubs, ahnten es natürlich: Robben wird Neuer gefragt haben, wie man so einen Elfmeter reinmacht.

Es hat ein paar tragische Figuren gegeben in diesem Endspiel, Bastian Schweinsteiger natürlich, den finalen Fehlschützen, auch Jérôme Boateng, dem nach Chealseas einziger Ecke Didier Drogba entwischt war für einen entscheidenden Kopfballungeheuer-Moment. Aber bei niemandem sonst traf das Versagen des Abends auf eine so prägnante Vorgeschichte wie bei Arjen Robben. Das ist einer der Gründe, warum er nun in den Fokus rückt beim FC Bayern.

Man kann zum Beispiel bei Franz Beckenbauer anfangen, um die Geschichte zu erzählen: Robben sei "ein Egoist", befand der hauptberufliche TV-Guru und nebenberufliche Bayern-Ehrenpräsident im Winter, als Robben nach langer Verletzung wieder den Anschluss suchte an das Bayern-Spiel und dabei gelegentlich übermotiviert ans Werk ging auf seiner rechten Angriffsseite. Robben hat Beckenbauer die Schelte nie verziehen.

Man kann dann weitermachen bei jener Rechthaberei um die Ausführung eines Freistoßes, welche Robben im Halbfinal-Hinspiels gegen Real Madrid (2:1) ein Veilchen einbrachte. Auch auf den prominenten Mittelgewichtsboxer im Stall des FC Bayern, Franck Ribéry, ist Robben seither nicht gut zu sprechen. Und nicht zu vergessen schließlich jenes Ligaspiel im April in Dortmund (0:1), in dem die Münchner die Meisterschaft auch dadurch verspielten, dass Arjen Robben den Ball nach einem BVB-Foul energisch an sich brachte und den fälligen Elfmeter dann verschoss. Das wiederum haben viele Bayern-Fans Arjen Robben noch nicht verzeihen können.

Und nun also wieder ein Fehlschuss vom Punkt, in der Verlängerung des Champions-League-Finales. Es war jene Szene, die der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge später einen von drei "vergebenen Matchbällen" nannte.

Warum schnappt sich Arjen Robben immer den Ball mit der Attitüde eines vermeintlich Unfehlbaren - und trifft dann doch wieder nicht? Das ist eine Frage, die Samstagnacht häufig gestellt wurde im Bayern-Kosmos, und die nur ein Problem hat: Sie wird weder Robben noch der Sache gerecht. Das hat auch der Bayern-Präsident Uli Hoeneß im Postpalast deutlich gemacht, als er die Frage mit einer soliden Gegenfrage entschärfte: Warum soll es ein Problem sein, wenn derjenige die Strafstöße schießt, der vom Trainer dafür eingeteilt ist?

Soweit ich weiß, gab es da in der Mannschaft keine Dissonanz, dass Robben schießt", sagte Hoeneß. Er habe ja "auch gegen Dortmund geschossen und souverän getroffen" ( vergangene Woche beim 2:5 im DFB-Pokal-Finale; Anm. d. Red.). Also: Thema erledigt, befand Hoeneß. Phantomdiskussion. Aus mannschaftsnahen Kreisen hieß es am Sonntag sogar, Robben habe gar nicht darauf bestanden zu schießen.

Es habe sich bloß kein anderer aufgedrängt, auch nicht Gomez oder Schweinsteiger, die benannten Alternativ-Schützen. Und tatsächlich hatte Robben ja ein starkes (und im Vergleich zu Ribéry überhaupt nicht selbstbezogenes) Spiel gemacht bis zu diesem Strafstoß. Während Schweinsteiger Krämpfe hatte. Und Gomez mutmaßlich eine Tarnkappe übergezogen.

Aber man kennt das ja aus Beziehungen: Oft sind all die Vorwürfe, die im Raum stehen, bei emotionsloser Prüfung kaum haltbar - und trotzdem hat sich so viel Psychoballast angesammelt mit der Zeit, dass man auf die Idee kommen könnte, eine Trennung wäre die beste Lösung. Neustart, Ortswechsel, alles wieder auf Null. Dazu indes wird es in dieser Beziehung nicht kommen: Robben hat gerade erst seinen Vertrag verlängert, bis 2015.

Die Beziehungstherapie im Fall Robben wird vielmehr so aussehen, dass der Täter nach 72 Stunden an den Tatort zurückkehrt: am Dienstagabend, für das Show-Spiel zwischen den Bayern und Hollands Nationalelf, das einzig den Zweck hat, jene Summe zu erlösen, die der Klub ursprünglich beim niederländischen Verband einklagen wollte wegen Robbens Verletzung bei der WM 2010.

Es wird wohl ein Spiel, in dem es nichts zu gewinnen gibt, bloß eine Menge zu verlieren. Etwa, wenn sich einer der EM-Kandidaten verletzt. Auf die Rolle des Buhmanns wäre Arjen Robben dann im Zweifel besser vorbereitet als der FC Bayern.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2012
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